Flammende Versuchung
sehnte sich
danach, es ungeschehen zu machen, die Zeiger der Uhr zurückzudrehen, ein anderer Mann zu sein, der einen anderen Ablauf der Dinge verursachen würde …
Wie durch ein Wunder hörte er das Rattern von Kutschenrädern, die auf sie zuhielten. Er hob Meggie von seinen Schultern und trat dann auf die Straße, um die Kutsche anzuhalten.
Sie kam mit quietschenden Rädern direkt vor ihm zum Stehen, so nah, dass er den heißen Atem der Pferde spüren konnte.
Der Fahrer tippte sich an die Hutkrempe. »Habt Ihr Euch verlaufen, Herr?«
Bevor Calder antworten konnte, ertönte ein schriller Schrei aus dem Innern des Gefährts. »Humbert, wie kannst du es wagen, anzuhalten? Er könnte ein Straßenräuber sein! Fahr den Mistkerl über den Haufen, wenn es sein muss.«
Calder streckte die Arme weit aus und trat an die Seite der Kutsche. »Nein, bitte. Ihr müsst uns helfen! Meine Frau ist entführt worden. Wenn Ihr uns mitnehmt, können wir sie vielleicht noch einholen.«
Ein rundes, wütendes Gesicht unter einem Seidenturban erschien am Fenster. »Nichts dergleichen werden wir tun!« Die Frau drohte ihm mit dem Finger. »Mit so etwas wollen wir nichts zu tun haben, nicht wahr, Harold?«
Calder versuchte, eine beruhigende Miene aufzusetzen. »Bitte, Madam … Sir! Sie sind uns nur ein kleines Stück voraus, aber wenn wir noch länger zögern …«
»Humbert, fahr weiter!«
Der Kutscher hob die Hände, um die Leinen wieder aufzunehmen, dann hielt er inne und starrte Calder aus weit aufgerissenen Augen an. Oder vielmehr das, was Calder in der Hand hielt. Schwarz, glänzend, tödlich. Es war Baskins abgefeuerte Pistole, die er in sein Hemd gesteckt haben musste – jedoch konnte er sich daran kaum erinnern. Calder schaute sie selbst ziemlich überrascht an. Das zu tun war ihm viel zu leicht gefallen.
»Oje«, sagte er sanft. »Wie es scheint, nehme ich die Kutsche doch.«
Aus Meggies Richtung erklang ein unterdrücktes Quietschen. Calder seufzte. Diese ganzen Unterrichtsstunden in Etikette – ungeschehen gemacht im Bruchteil einer Sekunde. Na ja. Es ließ sich nicht mehr ändern.
Er deutete mit der Pistole auf die Insassen der Kutsche. »Madam, Sir, bitte aussteigen.«
Der kleine, drahtige Mann half seiner schwergewichtigen, keuchenden Frau aus dem Gefährt. Calder sah zum Kutscher hoch. »Ich fürchte, Ihr werdet uns begleiten müssen, guter Mann. Ich gebe Euch fünfzig Pfund, wenn Ihr es freiwillig tut.«
Die Frau kreischte: »Humbert, du Mistkerl, wenn du das machst, ist das dein Ende.«
Der Kutscher schaute leise lächelnd zu dem Paar, dann zurück zu Calder, und sein Grinsen wurde breiter. Er nickte. »Ich wäre auch für fünf mitgekommen.«
Der kleine Mann wurde noch blasser. »Ihr … ihr könnt uns nicht allein hier lassen! Also, das kann ja Tage dauern, bis noch jemand des Weges kommt.«
Calder schaute den Kutscher an. »Stimmt das?«
Humbert zuckte die Schultern. »Schon möglich. Das Wetter schlägt um. Hier kommen nicht viele entlang, wenn die Straße schlammig ist.«
Meggie verschränkte die Arme. »Können wir sie nicht einfach hier lassen, Papa? Die Stimme von der Dame macht mir Zahnschmerzen.«
Calder schaute das Paar an. Sie waren kaum in der Lage, länger als eine Stunde hier draußen allein zu überstehen. »Und wenn sie es nicht überleben?«
Meggie zuckte die Achseln. »Ich wette, es gibt eh niemanden, der sie mag.«
Humbert zog eine zustimmende Grimasse.
Als Calder immer noch zögerte, kreischte die Frau ihn wütend an: »Ihr seid ein schrecklicher Mann! Das wagt Ihr nie! Was seid Ihr für ein Vater, dass Ihr ein solches Verbrechen begeht!«
Calder bezweifelte stark, dass die Frau sich wirklich um Meggies Moral sorgte. »Es ist nicht zu ändern«, entgegnete er knapp.
»Ihr solltet Euch schämen! Ihr übt einen schrecklichen Einfluss auf das Kind aus!«
Er grinste seine Tochter an und fühlte sich zum ersten Mal stark und frei und hoffnungsfroh. Sie grinste zurück, und in ihren Augen, die seinen so ähnlich waren, funkelte es. »Es ist eigentlich genau andersrum, wisst Ihr?«
Er tippte sich an den Hut. »So soll es sein. Ihr bleibt hier. Ich schicke Euch Hilfe, wenn ich meine Mission erfüllt habe.« Er hob Meggie schwungvoll in die Kutsche und kletterte hinein. »Fahrt zu, Humbert!«
Sie fuhren schnell, und es dauerte nicht lange, bis sie
seinen Phaeton eingeholt hatten, denn er lag verlassen im Graben. Calder und Meggie sprangen aus der Kutsche und untersuchten den
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