Flammender Himmel
Lebens, so wie die seinen ein unabänderlicher Teil seines Lebens waren.
Vielleicht war dieser traurige Blick aber auch nur Theater, substanzlos wie die Dunkelheit.
Hawk verwarf den Gedanken mit einem Schulterzucken.
Egal, ob echt oder nur gespielt, es ändert nichts an dem, was Angel ist. Selbst Tiere zucken im Schlaf, selbst ihre begrenzten Hirne werden von bösen Träumen und Erinnerungen heimgesucht.
»Ich zeige Ihnen, wie man mit der Jacht umgeht, sobald wir draußen auf der Meerenge sind«, sagte er. »Das heißt, wenn Sie wollen.«
»Klar will ich. Außerdem ist das die einzige Art, wie Sie zum Angeln kommen.«
Er zog fragend eine Augenbraue hoch.
»Es ist fast unmöglich, in einem Boot von dieser Größe allein zu fischen«, erklärte Angel. »Es muß immer jemand am Ruder stehen, besonders bei Flut und wenn man einen dicken Lachs am Haken hat und es rundherum von anderen Booten nur so wimmelt.«
Hawk und Angel brachten noch die restlichen Vorräte an Bord. Die Sonne stand schon ein ganzes Stück über dem Horizont, als Hawk die Jacht schließlich vorsichtig vom Anleger weg und in die starke Strömung des Campbell Rivers hinaus manövrierte.
Links von ihnen erstreckten sich weite, grasbewachsene Ebenen, die schließlich in Wald übergingen, der bis an die Küste reichte. Rechts von ihnen schob sich eine Landzunge vorwitzig ins Meer hinaus, wo sie eine Gezeitengrenze bildete.
Ein kleines Wasserflugzeug startete soeben. Seine Motoren dröhnten, die Schwimmkufen durchpflügten das Wasser schneller und schneller, bis sich das Gefährt in den weiten, blaßblauen Himmel erhob.
Hawk nahm das alles mit einem raschen, weitausholenden Blick in sich auf. Sobald er die letzte Geschwindigkeitsbegrenzungsboje passiert hatte, drehte er behutsam die beiden Dieselmotoren auf. Die Jacht hob sich federleicht aus dem Wasser und durchpflügte die blaugrüne See, eine schneeweiße Gischtlinie hinter sich herziehend.
Er hielt das Tempo jedoch weit unter dem, was die Jacht hergab, denn rechts von ihnen, jenseits der Landzunge, wimmelte es nur so von kleinen Booten. Wie von unsichtbaren Hinweisschildern geleitet, hatten sich die Boote alle an einer ganz bestimmten Stelle versammelt. Zahllose Angelruten ragten über Bootsseiten und Hecks hinaus. Durch das vereinte Gewicht von Meerwasser und Köder bogen sie sich im klaren, blauen Himmel wie dünne Peitschenstiele.
»Muß wohl Gottes ureigenes Anglerparadies sein«, kommentierte Hawk.
Angel lächelte.
»Das ist Frenchman’s Pool«, sagte sie. Sie mußte fast schreien, um sich über das laute Dröhnen der Dieselmotoren verständlich zu machen. »Bevor der Damm gebaut wurde, trat der Campbell River im Frühling gewöhnlich über seine Ufer. Durch die dauernden Überschwemmungen wurde ein riesiges Loch im Meeresboden ausgewaschen.«
Hawk warf einen Blick über seine Schulter. Kein Damm zu sehen und auch kein Loch im Meeresboden.
»Viele der Lachsschwärme aus dem Meer kommen gewöhnlich hier zusammen«, sagte Angel und deutete dorthin, wo sich die Boote tummelten. »Einige meinen, die Fische machen hier Station, um sich nach Jahren im Meerwasser ans Süßwasser zu gewöhnen. Andere sagen, sie warten hier, bis sie die Signale bekommen, die sie schließlich in den Fluß selbst hinauflocken.«
»Und was glauben Sie?« fragte Hawk.
Eine Zeitlang sagte Angel gar nichts.
Hawk musterte ihr Profil mit einem neugierigen, ja, hungrigen Blick. Es fiel ihm zunehmend schwer, seinen Körper in Schach zu halten.
Im Licht der Sonne sahen die hellblonden Haarsträhnen, die sich aus ihrem Zopf gelöst hatten, wie bleiche Flammen aus, die über ihre samtige Haut leckten. Ihr Profil war ungewöhnlich rein und klar; Stirn, Nase und Kinn bildeten eine harmonische, kraftvolle Einheit, ohne jedoch unfeminin zu wirken.
Als sie ihm ihr Gesicht schließlich zuwandte, wirkten ihre Augen so klar und durchsichtig wie ein tiefer, grüner See. Ihr Blick war mehr nach innen gerichtet als auf Hawk oder das unruhige Meer.
»Ich glaube«, begann Angel langsam, »daß die Lachse im Frenchman’s Pool Zusammenkommen, um mit sich und dem Süßwasser ihren Frieden zu machen, denn das Süßwasser bedeutet sowohl ihre Erfüllung als auch ihren Tod.«
»Wenn man Ihnen so zuhört, könnte man meinen, daß Lachse fast etwas Menschliches hätten.«
»Tatsächlich?« murmelte sie und lächelte traurig. »Aber die meisten Menschen haben diesen Mut nicht. Sie blicken nicht weiter in die Zukunft als bis zu ihrer
Weitere Kostenlose Bücher