Flammender Himmel
und Inseln war die Meerenge bei Sturm für kleinere Boote nicht gerade ungefährlich.
Angel manövrierte die Jacht so rasch sie konnte aus dem kleinen Hafen. Ohne einen Blick zurückzuwerfen, ließ sie den Campbell River hinter sich. Sie beachtete weder die zahlreichen Boote, die sich auf dem Frenchman’s Pool tummelten, noch die Holzflöße, die an der Küste trieben.
Der Wind blies konstant und kräftig. Kräftig genug, um die aufgewühlte See mit kleinen Schaumkronen zu versehen. Sie schaltete das Funkgerät ein und lauschte den Gesprächen der Fischer, die aus dem Norden herunterkamen. Was sie da hörte, ließ vermuten, daß es oben auch nicht schlimmer war als hier. Beruhigt lehnte sie sich für die lange Fahrt zurück.
Nach ein paar Stunden gab Hawk seinen exponierten Platz auf einem der Polstersitze im Heck der Jacht auf. Anfangs war er dem Ruderhaus absichtlich ferngeblieben, weil er Angel nicht mit seiner Anwesenheit hatte nervös machen wollen. Doch dann begann die Umgebung auf ihn zu wirken: das einschläfernde Dröhnen der Dieselmotoren, die weißschäumende Gischt, die sie hinter sich herzogen, und die Berge, die sich grün und grau in der Ferne erhoben. Das alles wirkte so beruhigend auf ihn, daß er sich merklich entspannt hatte.
Doch irgendwann drohten der steife Wind und die heftige Gischt Hawk zu unterkühlen und zu durchnässen, und er sah sich gezwungen, im Ruderhaus Zuflucht zu suchen.
Angel spürte Hawks Gegenwart und blickte auf.
»Wird ganz schön frisch da draußen, nicht wahr?« fragte sie.
»Ein wenig.«
Hawk blickte durch das Kabinenfenster auf das vor ihnen liegende Meer. In einer Fahrrinne zwischen zwei Inseln türmten sich blauschwarze, gischtgekrönte Wellen.
»Vielleicht nicht so frisch, wie’s noch werden wird, wenn man das hier so ansieht«, sagte er.
»Viel schlimmer wird’s wahrscheinlich nicht werden«, meinte Angel und musterte die bewegte See. »Wir werden uns dort zwischen den Inseln durchzwängen und eine andere Route nach Norden nehmen. Die ist zwar länger, aber geschützter.«
Hawk hielt sich an der gepolsterten Lehne der Sitzbank fest, die sich um drei Seiten des Tisches erstreckte, der hinter dem Cockpit stand. Schweigend sah er zu, wie Angel die mächtige Jacht steuerte. Die windgepeitschte See zwischen den Inseln brachte das Boot gehörig ins Schwanken, und der schlanke weiße Bug der Jacht tanzte auf den Wellen wie ein Spielzeugboot, bis das Fahrzeug schließlich Leeseits in den Schutz einer Insel glitt, wo ein riesiger Schwarm Möwen kreischend herumflatterte.
»Schau«, sagte Hawk.
Er berührte Angel am Arm und deutete nach rechts, wo sich in etwa fünfzig Metern Entfernung, direkt an einer steilen Klippe, weiße Möwen in die von Heringen kochende See stürzten. Das Meer war hier an dieser windgeschützten Stelle grün und glatt, und man konnte jedes Blubbern und jede einzelne silbern blitzende Form, die aus den Wellen hervorschoß, erkennen.
Angel verglich im Geist den Sonnenstand mit der Strecke, die sie noch vor sich hatten, dann schüttelte sie den Kopf.
»Ich würde liebend gerne meine Angel da reintauchen«, sagte sie sehnsüchtig.
»Aber?« meinte Hawk, der ihre Entscheidung, doch nicht zu fischen, korrekt las.
»Hier kann’s bei Flut ziemlich ungemütlich werden. Wir haben ja vier Tage Zeit, und ich lasse mich in diesen Gewässern nicht gerne von der Dunkelheit überraschen.«
Erst jetzt bemerkte Hawk die feinen Abstufungen von Grün, die das Wasser aufwies, und die kleinen Strudel, die durch das Treibgut leicht zu erkennen waren.
»Haben wir jetzt nicht Ebbe?« fragte er.
»Fast.«
Hawk beäugte die schäumende See mit aufrichtigem Respekt. Wenn’s bei Ebbe schon so stürmisch war, dann konnte er nur erahnen, wie es bei Flut zugehen mußte - unglaubliche Wassermassen, die sich zwischen den Inseln hindurchwälzten, an Felsen schlugen, aufschäumten und tückische Strömungen erzeugten.
Dort, wo Angel und Hawk sich im Moment befanden, war die Meerenge von einem Labyrinth kleiner und kleinster Inseln durchzogen. Und in dieses Labyrinth drängte der mächtige Pazifik, aufgewühlt von zahllosen Felsen und Felsengen, von Strömungen und Gegenströmungen.
Einige der Inseln waren ziemlich groß, andere wiederum nichts als eine Handvoll Felsbrocken, die durch Riffe geschützt wurden. Hawk wußte, daß er sich in dem Gewimmel aus Felsen und schaumgekrönten Wellen selbst mit einer Seekarte und bei Ebbe nur schwer zurechtgefunden
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