Flammender Himmel
verdunkelten sich, als sie an Carlsons Grausamkeit von damals dachte. Aber er war aus einem ganz bestimmten Grund so grausam gewesen, nämlich um sie dazu zu zwingen, die Tatsache zu akzeptieren, daß sie noch am Leben war und Grant tot.
Carlson hatte ebenfalls bitter dafür bezahlt, mehr als ihr das damals klar gewesen war. Angel hatte ihm ein ganzes Jahr lang nicht verziehen, hatte sich geweigert, mit ihm zu sprechen oder seine Briefe zu öffnen. Damals wußte sie nicht, daß Carlson sie liebte, wie ein Mann eine Frau liebt.
Als sie endlich begriffen hatte, war es bereits zu spät gewesen. Carlson war in ihrer Vorstellung untrennbar mit Grants Leben und mit seinem Tod verbunden. Sie konnte ebensowenig eine Liebesbeziehung mit Carlson beginnen wie mit Derry.
»Carlson liebt dich«, sagte Hawk mit ausdrucksloser Stimme.
»Ja. Er hat mich sogar noch vor Grant geliebt. Aber ich habe ihn nie so geliebt, nicht auf diese Weise.«
»Weil er Indianer ist?«
Angel lächelte traurig. »Weil er nicht Grant ist.«
»Aber nach Grants Tod, warum nicht dann?« beharrte Hawk.
Angel strich sich mit einer müden Handbewegung eine Haarsträhne aus der Stirn.
»Carlson war immer noch nicht Grant«, erwiderte sie schlicht. »Das konnte ich ihm einfach nicht verzeihen. Das konnte ich Derry nicht verzeihen. Keinem Mann konnte ich das verzeihen.«
Angel sah, daß ihm noch eine Frage auf der Zunge lag. Da wußte sie auf einmal, daß ihre Worte - was immer sie auch damit bei Hawk zu bewirken hoffte - ihr selbst mehr weh taten als ihm. Erinnerungen, die sie seit Jahren sorgfältig verschlossen gehalten hatte, brachen plötzlich über sie herein.
»Keine Fragen mehr, Hawk, bitte«, flehte Angel mit leiser, verzweifelter Stimme. »Oder macht es dir Spaß, mich mit der Vergangenheit zu quälen?«
Er schloß einen Moment lang die Augen, schloß sie vor der Wut und Verwirrung, die deutlich in ihren Zügen zu lesen waren.
»Nein«, sagte er sanft.
»Warum tust du’s dann?«
»Weil ich alles über dich wissen muß.« Er öffnete die Augen. Sie waren so klar und ruhig und so dunkel wie die Nacht. »Ich muß einfach.«
»Aber warum?« fragte Angel verzweifelt.
»Ich habe noch nie eine Frau getroffen, die außer sich selbst noch jemanden geliebt hat.«
Hawks ruhige Antwort ließ Angels Proteste verstummen. Wenn Hawk durch ihr Leid etwas lernen konnte, dann würde sie nicht weiter gegen jede Frage, gegen jede Antwort ankämpfen. Sie hatte soviel aus Derrys Leid und aus Carlsons gelernt. Da konnte sie einem anderen Menschen dieselbe Chance beim besten Willen nicht verweigern.
In der plötzlich eingetretenen Stille klang das Quietschen von Mrs. Careys Gehstütze auf den Gangfliesen unnatürlich laut.
»Das war Karen«, sagte Mrs. Carey. »Sie meinte, die Himbeerbüsche auf dem alten Grundstück würden dieses Jahr besonders üppig blühen.«
»Mmmm«, sagte Angel und leckte sich die Lippen.
Die alte Frau lächelte.
»Ich kann zwar nicht mehr pflücken«, sagte Mrs. Carey, »aber Marmelade kochen, das kann ich immer noch.«
»Wir pflücken Ihnen gerne so viele Beeren, wie Sie wollen«, meinte Hawk, bevor Angel noch etwas sagen konnte.
»Ein Falke in den Himbeerbüschen.« Mrs. Carey stieß ein Lachen aus, das wie das trockene Rascheln von Herbstlaub klang. »Vielen Dank. Das war das Aufstehen wert.«
Hawks Mundwinkel zuckte ein wenig nach oben. Er sah Angel an, dann die Anrichte, auf der die Glasscheibe lag, und dann wieder Angel. Sie nickte. Er erhob sich mit einer fließenden Bewegung und ging zu dem Bild.
»Das«, sagte Hawk und hob das in die Decke gewickelte Kunstwerk hoch, »ist es wert, hundert Jahre dafür zu leben.«
Er trat ans Küchenfenster. Die Sonne schien herein und tauchte den Frühstückstisch in warmes Licht. Hawk kehrte Mrs. Carey den Rücken zu und wickelte heimlich das Bild aus. Dann trat er rasch beiseite und hielt es ans Licht.
Mit einemmal war die ganze Küche in ein Meer aus leuchtenden Farben getaucht.
Mrs. Carey lehnte sich auf ihre Gehstütze und starrte das Glasbild, das ihre Küche in eine fantastische farbige Wunderwelt verwandelte, fassungslos an.
»Also das ist das Hübscheste, was ich je gesehen habe«, sagte sie langsam. »Schau doch bloß diese Farben. Also, man könnte fast schwören, daß das echte Marmelade da in den Gläsern ist.«
Angel lächelte breit. Sie freute sich, daß Mrs. Carey das Bild so gefiel.
»Es freut mich, daß es Ihnen gefällt«, sagte Angel. »Es gehört
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