Flammendes Begehren
schob sie sich die Kapuze aus dem Gesicht und kniff zum Schutz gegen die Helligkeit die Augen zusammen. Als sie sah, wie bewaffnete Männer aus einem benachbarten Korridor strömten, rutschte ihr das Herz in die Hose. Keiner der Männer kam ihr auch nur im Entferntesten bekannt vor.
Ein stummer, brennender Schrei verfing sich in ihrer Lunge. Gerade als sie sich aufrappelte, trat ein hochgewachsener Mann auf sie zu.
Elizabeth schnappte nach Luft. Der Fremde vom Markt, dessen Gesicht sich für immer in ihr Gedächtnis eingebrannt hatte. »Ihr!«
»Gestatten, Geoffrey de Lanceau«, sagte er und griff lächelnd nach ihrer Hand. »Wie schön, dass wir uns nun offiziell bekannt machen können!«
Geoffrey beobachtete, wie eine wahre Flut von Gefühlen über das blasse Antlitz des hübschen Burgfräuleins huschte: Schock, Wut und Furcht. Ihre Hand, die er gefangen genommen hatte, zitterte, als sie sich losriss. Er ließ sie gewähren, gönnte ihr die Illusion, sie könnte ihm entkommen – so wie Falkner es zuweilen taten, ehe sie ihrem Lieblingstier wieder die Maske über die Augen stülpten.
Er hatte in Erinnerung, dass ihre Augen blau waren, und fand, dass sie jetzt, eingerahmt von der dunklen Kapuze, an einen sommerlichen Himmel erinnerten.
Ihre Wangen leuchteten, und in ihren Blick, der dem seinen noch immer standhielt, schlich sich etwas Frostiges. »Ich bedaure, dass ich meine Identität nicht schon bei unserer ersten Begegnung preisgeben konnte«, murmelte er. »Ich wollte verhindern, dass Ihr Eurem Vater von mir erzählt.«
Maßloser Zorn flackerte in ihren Augen. »Welch weise Entscheidung, genau das hätte ich nämlich getan! Wo ist mein Vater? Was habt Ihr ihm angetan?«
Ein selbstzufriedenes Feixen umspielte de Lanceaus Lippen. »Wenn ich richtig informiert bin, befindet er sich gerade auf dem Weg nach Tillenham.«
»Also wart Ihr es doch, der die Feuer gelegt hat! Er hat die Kampfansage als solche verstanden und wird Euch das Leben zur Hölle machen.« Bockbeinig zog Elizabeth eine Augenbraue in die Höhe. »Aber ein Feigling wie Ihr legt lieber ein Feuer, als sich dem Feinde zu stellen!«
Mit der Wucht eines Peitschenknalls fuhr Geoffrey die Wut in die Glieder. Sie nannte ihn doch allen Ernstes einen Feigling! Jahrelanger Zorn und Zurückweisung drohten den Wall, den er um sein Herz errichtet hatte, zum Einsturz zu bringen.
Erzürnt ballte er die Hände zu Fäusten. Es wäre nicht sonderlich klug, ausgerechnet jetzt die Contenance zu verlieren. Und genau das plante sie! Sie wollte ihn im Angesicht seiner Mannen aus der Reserve locken. Kein schlechter Schachzug, aber nicht clever genug. »Geduldet Euch noch ein wenig, Mylady, denn schon bald werden Euer Vater und ich uns gegenüberstehen. Und wenn es so weit ist, werde ich als Sieger vom Platz gehen.«
Zurückhaltung legte sich wie eine Maske über ihre Gesichtszüge. Geoffrey spürte, dass ihr eine bissige Bemerkung auf der Zunge lag – dass ihr alter Herr ihn ungespitzt in den Boden rammen würde. Moment mal, hatte er soeben etwas Rotes entdeckt, das ihr auf die Schulter tropfte? Blut?
Geoffrey runzelte die Stirn. »Dominic, eine Fackel!«
Elizabeth riss den Kopf zur Seite, doch Geoffrey war schneller und leuchtete sie an. Die Locken über ihren Augenbrauen bedeckten eine Platzwunde am Haaransatz, aus der Blut sickerte, das im Schein der Fackel auf ihren hohen Wangenknochen glitzerte. Ein eigenartiges Gefühl, das an Schuldgefühle grenzte, beschlich ihn. Was, wenn sie noch weitere Verletzungen erlitten hatte?
Als der Söldner, der sie die Treppe hinab verfolgt hatte, gluckste, warf Geoffrey ihm einen finsteren Blick zu. Der Mann namens Viscon war ein unnötiges Risiko eingegangen, weil er sie ohnehin erwischt hätte. Und jetzt war sie auch noch verletzt. Mit anderen Worten: Er musste seine Lösegeldforderung nach unten korrigieren.
Geoffrey gab Dominic die Fackel zurück. »Es war nie meine Absicht, dass Ihr Verletzungen davontragt.«
Sie schnaubte angewidert.
»Denkt von mir, was Ihr wollt, aber eine Bestie bin ich beileibe nicht.« Als Geoffrey nach dem Dolch an seinem Gürtel griff, zuckte Elizabeth zusammen, wich aber – sehr zu seinem Erstaunen – nicht zurück. Er lüftete die Wolltunika und schnitt einen Streifen seines Untergewandes aus Leinen ab. Nachdem er das Messer wieder verstaut hatte, streckte er die Hand aus und tupfte ihr die Schläfe ab.
»Rührt mich nicht an!«
Der beißende Unterton in ihrer Stimme zog seinen
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