Flammendes Begehren
von ihr abließ. Das Leinen segelte zu Boden.
Elizabeth wich zurück, den Arm fest gegen ihre Brust gedrückt.
»Denkt stets an den Jungen, ehe Ihr Euch zu unbedachten Handlungen hinreißen lasst!«
»Warum sollte ich?«, fragte sie mit scharfer Stimme. »Weil Ihr mich sonst ebenfalls umbringt?«
*
Kaum hatte Elizabeth zu Ende gesprochen, bereute sie es bereits, den Mund geöffnet zu haben. In ihrem Magen wütete ein Schmerz, der um Längen schlimmer war als die Platzwunde, die sie davongetragen hatte und ihr unsägliche Kopfschmerzen bereitete.
Sobald der Soldat hinter ihr sich in Bewegung setzte, kreischte Mildred auf.
Große Anspannung lag in der rauchgeschwängerten Luft.
Wenn sie doch nur ihre Worte ungeschehen machen könnte! Aber, so schwor sie sich, sie würde sich nicht von de Lanceaus düsterem Blick – die Farbe seiner Augen erinnerte an einen Wintersturm – einschüchtern lassen. Noch immer stand er so dicht bei ihr, dass sie nichts weiter tun müsste, als die Hand auszustrecken, um ihn zu berühren, ihm über die kurzen Bartstoppeln zu streichen. Wie ein unsichtbarer Umhang legte sich sein markanter Duft um sie, eine Mischung aus Leder, Pferd und Krieger.
»Ich kann mit Fug und Recht behaupten, dass ich noch nie Hand an ein Weib gelegt habe, geschweige denn, sie um ihr Leben gebracht habe«, sagte er. Sein sengender Atem streifte ihre Stirn. »Das ist wider meine Natur. Aber ich warne Euch: Zwingt mich nicht, gegen meinen Willen zu handeln!« Mit diesen Worten wandte er sich seinen Männern zu und deutete auf Dominic. »Geleitet die Zofe zum Karren! Dominic, du und ich, wir werden uns des Burgfräuleins annehmen.«
Sofort setzten sich die bewaffneten Männer in Bewegung.
Elizabeth atmete scharf aus. Sie musste einen Weg finden, de Lanceau aufzuhalten. Was auch immer er geplant hatte, sie würde nicht mitspielen!
Gegen die Schmerzen in ihrem Körper anschluckend, sah sie sich vorsichtig um. Der pockennarbige Dummkopf, der sie im Dunkeln verfolgt hatte, blockierte den Treppenaufgang in ihrem Rücken. Sie kannte ihn sogar: Gareth Viscon, seines Zeichens Söldner und ehemaliger Soldat der Krone, der sich und seine Kampfkünste an den Meistbietenden verkaufte. Ihr Vater hatte ihn einst angeheuert, um einer Bande Geächteter den Garaus zu machen, die in einem benachbarten Wald kampiert hatten.
Mit einem breiten Feixen und unter Zuhilfenahme seines Dolches säuberte Viscon sich die dreckigen Fingernägel. Schnell senkte Elizabeth den Blick. An ihm vorbeizukommen war so gut wie unmöglich. Verstohlen wanderte ihr Blick zu den Männern mit den gezückten Schwertern, die im Gang zu ihrer Linken standen. Nein, das war nicht minder aussichtslos.
Vielleicht gelang es ihr, die Tür zum Innenhof zu erreichen.
Sie musste es wenigstens versuchen.
Sie warf einen flüchtigen Blick zu Mildred, die – umringt von Bewaffneten – sich mit Händen und Füßen dagegen wehrte, weggebracht zu werden. Elizabeth deutete unauffällig auf die Tür. Mildreds Augen weiteten sich, als sie verstand, und sie zwinkerte ihrer Herrin zu.
»Schwein! Ich verlange, dass Ihr auf der Stelle von mir ablasst! Aua! Morgen bin ich mit blauen Flecken übersäht.« Sie schnaubte. »Wenn Ihr nicht auf der Stelle aufhört, werde ich …«
Elizabeth rannte los und nahm sich vor, so laut zu schreien, dass selbst ihre Mutter und ihre Schwester sie oben im Himmel hören konnten.
»Mylord!«, rief einer der Männer de Lanceau zu, der ihr den Rücken zugedreht hatte.
De Lanceau fuhr herum, mit einem großen Satz versperrte er ihr den Weg.
Schlitternd blieb Elizabeth stehen, gerade noch rechtzeitig, ehe er mit ihr zusammenprallte. Wie wild wirbelten ihr der Umhang und das Nachtgewand um die Beine, und sie atmete zischend aus, während ihr Blick voller Verzweiflung in Richtung Tür schoss.
»So leicht entkommt Ihr mir nicht, Mylady!«, blaffte er sie an.
Als vom Treppenaufgang Stimmen an ihr Ohr drangen und sie inständig hoffte, dass es die beiden Mägde waren, die sich um die Fackeln kümmerten, schöpfte Elizabeth neue Hoffnung.
Ehe sie jedoch aktiv werden konnte, riss einer der Männer auf de Lanceaus Geheiß die Tür zum Innenhof auf, Viscons Hand packte sie von hinten, und er drückte ihr seine vernarbte Hand auf den Mund, damit sie nicht schreien konnte.
Wie eine Wildkatze schlug und trat Elizabeth um sich, jedoch ohne Erfolg. Grunzend packte Viscon ihren verletzten Arm, den sie sich an der Mauer gestoßen hatte, und
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