Flammendes Begehren
Mit einem Stirnrunzeln beugte Geoffrey sich über sie. Ihre Augenlider waren hell, sie hatte den Mund zu einem leichten Schmollen verzogen, als wäre sie die Unschuld in Person, als hätte sie ihn nicht bei jeder Gelegenheit, die sich bot, beschimpft. Elena zufolge litt sie nicht unter Fieber, dennoch fühlte er ihre Stirn. Sie war warm, aber nicht heiß.
Sie bewegte sich, stöhnte.
Er schrak zurück, ein Stechen im Gesicht. Er hoffte, sie nicht geweckt zu haben. Was würde er sagen?
Wenn er jetzt versuchte, das Gemach zu verlassen, würde er sie mit Sicherheit wecken.
Starr wie ein Grabstein zählte er seinen dröhnenden Herzschlag. Ihr Haupt fiel zur Seite, ihre Atmung wurde ruhiger.
Erleichterung strömte durch seinen Körper. Er täte besser daran, jetzt zu gehen und sich um die anderen Dinge zu kümmern, die seine Aufmerksamkeit verlangten.
Doch er konnte nicht. Dieses unbeschreiblich warme Gefühl auf seiner Hand, als er sie berührt hatte, hielt ihn zurück.
Wie gern würde er sie ein weiteres Mal anfassen!
Er ermahnte sich zur Vorsicht. Trotzdem glitten seine verräterischen Finger über ihre Wange. Wie weich ihre Haut sich anfühlte, wie venezianische Seide!
Ihre Wärme durchströmte seine Hand. Wie von selbst erinnerte er sich daran, wie wunderbar es sich angefühlt hatte, sie in seinen Armen zu halten.
Er mahlte mit den Zähnen und entfernte sich einen Schritt vom Bett.
Sie hatte eine seiner Schwächen freigelegt. Wie er sie dafür hasste!
Die Kerze verlosch unter seinem Fluch. Er konnte sich keine Schwächen leisten – nicht, wenn Jahre voller Seelenqualen und Wut ihn an den Punkt getrieben hatten, an dem er sich jetzt befand. Nicht, wenn der Sieg zum Greifen nahe war.
Ihre Schönheit war sein Feind. Er bewunderte ihre Kühnheit, aber er würde nicht zulassen, dass sie ihn schwächte. Er würde die Oberhand über sein Verlangen gewinnen.
Er drehte sich um und schritt zur Tür.
Lady Elizabeth Brackendale würde seiner Seele nicht gefährlich werden!
Kapitel 6
D urch den schweren Vorhang der Schläfrigkeit hindurch drangen zwei Stimmen an Elizabeth’ Ohren. Die des Mannes kam ihr bekannt vor, die der Frau hingegen nicht.
»Mylord, die Kopfwunde scheint nicht sehr tief zu sein«, sagte die Frau mit gedämpfter Stimme. »Sobald ich sie von Blut und Schmutz befreit habe, werden wir mehr wissen.«
Elizabeth’ angeschlagener Verstand schreckte auf. Wer war verletzt worden?
»Troy meint, sie würde immer wieder in die Bewusstlosigkeit abgleiten.«
Sorge durchlöcherte den Nebel, der sich vor Elizabeth’ Gedanken geschoben hatte. Troy? Der Name kam ihr bekannt vor, doch sie konnte ihn nicht einordnen. Wieso hatte sie das Gefühl, ihre Gedanken wären so zäh wie angedickte Kohlsuppe?
»Armes Ding! Die Narbe auf ihrer Stirn wird sie noch eine Weile begleiten, da bin ich mir sicher.«
Der Mann seufzte besorgt. »Was ist mit ihrem Arm?«
»Er ist nicht gebrochen, aber die Prellungen werden ihr noch ein wenig zu schaffen machen.«
Eine Brise umwehte Elizabeth’ Wangen. Stoff raschelte. Sie nahm all ihre Kraft zusammen und hob die Lider.
Ein warmes feuchtes Tuch wurde ihr auf die Stirn gepresst.
Schmerz, lass nach!
Sie schnappte nach Luft, riss die Augen auf.
»Seid unbesorgt, mein Kind!« Ein altes Mütterchen schwebte neben dem Bett. Ihre schwarze Gewandung und das weiße Kopftuch ließen ihr sonnengegerbtes und runzeliges Gesicht noch runder wirken. Ihrem Lächeln wohnte Vertrauenswürdigkeit inne.
Elizabeth leckte sich die trockenen Lippen. »Wer …«
»Bleibt liegen! Lasst Schwester Margaret ihre Arbeit zu Ende bringen.«
Der harsche Befehl fegte das letzte bisschen Schläfrigkeit, das wie Spinnweben Elizabeth’ Verstand gefangen hielt, beiseite. Erinnerungen an den vorangegangenen Tag strömten auf sie ein. Ihr Magen zog sich zusammen.
Sie drehte den Kopf zur anderen Seite. Geoffrey de Lanceau lehnte im Türrahmen, die Beine, die in Lederstiefeln steckten, an den Knöcheln verschränkt. Er trug ein burgunderfarbenes Wams und schwarze Beinlinge, wirkte trotz der langen Reise, die sie gerade erst hinter sich gebracht hatten, erholt und frisch. Er hatte sich sogar rasiert, wodurch sein markantes Kinn noch eine Spur arroganter wirkte.
Ihr Blick flog wieder zu Schwester Margaret. Ob die Nonne wusste, dass de Lanceau ein Entführer war? Anscheinend nicht. Schwester Margarets mildes Lächeln blieb unverändert, als sie das blutgetränkte Tuch in einer Schüssel Wasser auswusch,
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