Flammendes Begehren
an die Tür. Diese öffnete sich einen Spaltbreit, und eine Wache grunzte zustimmend, ehe Elena nach draußen schlüpfte und sich die Tür wieder schloss.
Elizabeth schenkte sich von dem Wein ein, ließ sich auf der Bettkante nieder und zupfte an der fransigen Decke. Mit Sicherheit war de Lanceau sich bewusst, dass Langeweile ebenfalls eine Form der Folter war, zumindest für sie. Auf Wode Castle war Müßiggang ein Fremdwort für sie. Wenn sie jetzt dort wäre, würde sie die Bediensteten beaufsichtigen und sich darum kümmern, dass die tägliche Arbeit sorgfältig erledigt wurde. Immer wenn sie einen Augenblick erübrigen konnte, stickte sie an den Leibchen und Hemdchen für die Waisenkinder.
Verbitterung loderte in ihrem Innern. De Lanceau trug die Schuld daran, dass sie ihren Pflichten nicht nachkommen konnte – und das, wo sie ihren Lebtag noch kein Versprechen gebrochen hatte!
Sie nahm einen Schluck Wein und rümpfte die Nase, so sauer schmeckte er. Ihre Schläfe pochte. Sie stellte den Becher weg und legte sich wieder aufs Bett. Was gäbe sie jetzt für Mildreds Stärkungsmittel!
Die Augenlider wurden ihr schwer. Sobald sie die Augen jedoch schloss, sah sie de Lanceau, wie er über ihr thronte, einen ähnlich intensiven und lodernden Blick in den Augen, wie sie ihn bei ihm beobachtet hatte, kurz bevor er sie geküsst hatte.
Ihre Lippen kitzelten.
Sie drehte sich auf die Seite und presste das Gesicht in das kratzige Kissen.
Der nächste Fluchtversuch würde Früchte tragen.
*
Wie ein elfenbeinfarbener Fangzahn glänzte der Mond am nächtlichen Firmament, als Geoffrey sich aus Veroniques Umarmung löste und aufstand. Sie wurde unruhig und murmelte einige zusammenhanglose Worte, ehe sie sich, begleitet von dem lauten Rascheln der Bettwäsche, auf die Seite rollte.
Eingehüllt in tiefe Schatten, blickte er auf die seidige Silhouette ihres Arms, den sie auf der Bettdecke abgelegt hatte. Zu guter Letzt schlief sie wieder ein. Er hatte sich nicht mit ihr vereint. Er hatte ihr gegenüber angegeben, der Ritt vom Vortag säße ihm noch immer in den Knochen.
»Tischt Ihr mir gerade eine Lüge auf?«, hatte sie ihn mit scharfer Stimme und funkelndem Blick gefragt.
»Nein, das tue ich nicht.« Jede Faser seines Körpers schrie vor Erschöpfung. So gesehen hatte er nicht gelogen. Nach kurzem Schweigen hatte sich ihre Enttäuschung gelegt, und sie hatte ihm erlaubt, sie in den Arm zu nehmen. Er hatte sie unter die Bettdecke gelockt und sich von hinten an sie gekuschelt.
Er beobachtete, wie ihre Schultern sich sanft hoben und senkten. Schuldgefühle befielen ihn, als sein Verlangen abermals erwachte, er von dem Wunsch gepackt wurde, sich wild und ungezügelt an ihrem üppigen Körper zu laben.
Ob sie ihm eine Abfuhr erteilen würde, wenn er sie jetzt fragte, ob sie mit ihm schliefe? Vermutlich nicht. Sobald sie ihm eine atemlose Entschuldigung abgepresst hatte, würde sie ihn mit jener Ungeduld in sich aufnehmen, die er für gewöhnlich liebte und schätzte.
Doch zum ersten Mal in all den Jahren spürte er nichts von der Freude und Begeisterung, die er sonst empfand.
Er stieß einen leisen Fluch aus. Dieses renitente Frauenzimmer hatte ihm scheinbar den Kopf verdreht, war schuld daran, dass er sich dem Liebesspiel nicht mehr hingeben konnte, und setzte sogar seinem Urteilsvermögen zu!
Das blasse Licht des Mondes umfloss seine Stiefel, die neben dem Bett standen. Geoffrey ging in die Knie und las sie auf. Noch nie in seinem Leben war er einem Weib wie Elizabeth Brackendale begegnet. Warum nur erweckte sie sein Interesse?
Elizabeth mochte es an der Blasiertheit eines Weibes mangeln, das sich seiner Schönheit bewusst war, aber dennoch übte sie eine ungeahnte Macht über ihn aus. Veronique setzte ihre Finger, Zunge und ihren Körper ein, um seine Leidenschaft zu schüren. Bei Elizabeth reichte es aus, wenn sie ihr Haar nach hinten warf oder mit spitzfindiger Stimme sprach, und sein Blut verwandelte sich in flüssiges Feuer.
Anspannung schnürte ihm die Kehle zu. Derartige Vergleiche waren fruchtlos. Elizabeth Brackendale war nichts als eine vorübergehende Last. Nicht mehr.
Vorsichtig, damit das Leder nicht knirschte, zog Geoffrey sich die Stiefel an und verließ auf leisen Sohlen das Gemach. Seine Schritte hallten im Treppenaufgang wider. Beim Betreten des Innenhofs, der von Fackeln beleuchtet war, atmete er tief durch, um einen klaren Kopf zu wahren.
Er durfte seine Ziele nicht aus den Augen verlieren.
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