Flammendes Begehren
sie aus den Augen.
Elizabeth schüttelte sich. »Ich verabscheue Euch!« Die Worte purzelten ihr von den Lippen, ehe sie wusste, was sie tat.
»Daran habe ich keinen Zweifel. Mehr Brot, Mylady!«
Elizabeth fütterte ihn abermals, angewidert und erregt zugleich durch dieses intime Ritual. Sie gab sich größte Mühe, ihm beim Essen nicht zuzusehen, doch seine Lippen waren so wunderschön geformt und sein Profil so anziehend, dass es ihr schwerfiel.
Nachdem sie ihm weitere Brotstücke verabreicht hatte, schob er ihr den Essdolch zu. »Jetzt ein wenig von dem Fleisch.«
Elizabeth’ Finger schlossen sich um den geschmeidigen Griff. Die Klinge wirkte scharf. »Ihr wagt es, mir eine Waffe zu geben?«, fragte sie, unfähig, ihr Erstaunen zu verbergen.
»Ihr seid keine Närrin, und ich gebe Euch die nötige Warnung mit auf den Weg. Bedroht mich, und ich werde allen Anwesenden, Männern, Frauen und Kindern, beweisen, wie dumm Ihr wart.«
Das glaubte sie ihm aufs Wort. Just als sie ein Stück Möhre und ein Stück Fleisch aufgespießt hatte, fing sie den Duft nach Parfüm auf. Rosenwasser.
»Veronique«, murmelte Geoffrey.
Elizabeth’ Nackenhaare stellten sich auf. Ein einziges Mal hatte er so auch mit ihr gesprochen – seinerzeit, als er sie auf dem Markt in den Armen gehalten hatte. Als er noch nicht gewusst hatte, wer sie war. Als er ihr am liebsten einen Kuss geraubt hätte.
»Mylord«, ertönte eine sinnliche weibliche Stimme. Elizabeth hob den Blick. Die Frau, die zu ihnen an den Tisch getreten war, machte einen tiefen und eleganten Knicks vor de Lanceau.
Veroniques korallenrotes Bliaut blähte sich auf, als sie in die Knie ging. Das Gewand schien ein wenig kürzer als ihr Untergewand zu sein, auf das Elizabeth einen Blick erhaschte und das so fein war, als wäre es aus Spinnweben. Eine korallenrote Schleife war in ihren Zopf geflochten worden, den sie um den Kopf gelegt trug.
Erst als Veronique sich erhob, bemerkte Elizabeth, wie raffiniert ihre Robe geschnitten war. Die enganliegenden Ärmel waren unterhalb des Ellbogens aufgestellt und wurden durch glänzende Stickereien in Form von Rauten und Quadraten betont, die sich an dem rechteckigen Ausschnitt des Gewandes wiederholten.
Und dann machte Elizabeth eine entsetzliche Entdeckung: Genau zwischen ihren Brüsten trug Veronique eine goldene Brosche.
Ihr war, als würde ihr das Herz aus der Brust gerissen.
Die Brosche ihrer Mutter.
Wut pulsierte durch ihre Adern und trübte ihre Sicht, bis sie das Gefühl hatte, in einer purpurnen Wolke zu stehen. Ungezügelter Hass ergriff von ihr Besitz.
Sie hörte, wie Veronique kicherte. »Das ist also Brackendales Tochter? Nicht gerade eine Augenweide.«
Elizabeth sprang auf. Der Dolch, dessen Griff sich warm anfühlte, verschmolz mit ihrer Hand. Geoffrey schleuderte ihr einen warnenden Blick zu. Doch schon im nächsten Augenblick setzte sie ihm die Klinge an den Hals.
»Ich verlange auf der Stelle, dass Ihr mir die Brosche meiner Mutter zurückgebt! Weigert Euch, und ich versenke das Messer bis zum Anschlag!«
*
Als der Dolch Geoffreys Haut ritzte, verzog er das Gesicht. Die Augen weit aufgerissenen, wich Veronique einige Schritte zurück. Die schockierten Burgbewohner starrten herüber. Selbst die Hunde, die sich unter dem Tisch um einen Knochen gestritten hatten, hielten inne.
Das zischende Geräusch, das Schwerter von sich gaben, wenn sie schwungvoll aus der Scheide gezogen wurden, drang an de Lanceaus Ohr. Er verfluchte sich dafür, dass er Elizabeth den Dolch anvertraut hatte. Und er verfluchte Veronique, weil sie seine Truhen durchwühlt hatte, ohne ihn vorher zu fragen, zumal er ihr nie und nimmer erlaubt hätte, die Brosche an sich zu nehmen. Am meisten jedoch grollte er, weil Elizabeth ihn in eine unmögliche Lage brachte. Wie sollte er sich des Dolches bemächtigen, ohne sie zu verletzen? »Die Brosche!«, forderte sie mit schriller Stimme.
Aus den Augenwinkeln heraus sah Geoffrey, wie eine der Wachen sich an den Rand des Podestes vorschob. Fieberhaft kramte er in seiner Seele nach der kontrollierten Ruhe, die ihm schon so manches Mal die Haut gerettet hatte. Dieses Mal allerdings musste er sich etwas einfallen lassen, um Blutvergießen zu vermeiden. »Mylady, wenn …«
»Jetzt!«
Als Elizabeth’ Hand zitterte, verschob sich die Klinge. Im selben Moment lief Geoffrey etwas Warmes am Hals herunter. Blut.
Elizabeth stieß einen Laut aus, in dem sich Verzweiflung und Grausen vermischten. Er
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