Flammendes Eis
Austin und erläuterte seinen Plan.
»Es ist einen Versuch wert«, sagte Atwood und nahm das Funkgerät vom Gürtel. Wenig später war auf dem Monitor wieder das Becken über der Luke zu sehen. Der FTR wurde erneut zu Wasser gelassen. Auch alles andere verlief genau wie beim ersten Mal, einschließlich Taucher, Luftblasen und dunklem Wasser.
Gunn steuerte mit dem Roboter in gerader Linie das Schiff an und näherte sich schon bald dem Heck. Ein kurzer Tastendruck ließ den Greifarm ausfahren, so dass man ihn im Scheinwerferlicht genau erkennen konnte. Der Anblick von Gamay beim Reinigen des Kastens hatte Austin auf einen Gedanken gebracht. Die Metallklaue hielt eine Drahtbürste umklammert, mit der auf dem Rumpf der
Argo
Farbreste entfernt wurden, sobald ein neuer Anstrich vorgesehen war.
Der FTR unternahm mehrere Versuche, die Muscheln zu entfernen, stieß sich durch den dazu nötigen Kraftaufwand aber immer wieder selbst vom Rumpf ab. Das Schiff wollte seine Identität nicht kampflos preisgeben. Nach einer Dreiviertelstunde hatten sie eine Fläche von etwa dreißig Zentimetern Durchmesser freigelegt. Ein Teil eines weißen Buchstabens war sichtbar. Es hätte ein O sein können, vielleicht aber auch eines von mehreren anderen denkbaren Schriftzeichen.
»So viel zu meinem brillanten Einfall«, sagte Austin.
Gunn war genauso enttäuscht. Auf seiner Stirn standen Schweißperlen. Er hatte versucht, den Rückstoß mittels der Schubdüsen des FTR so weit wie möglich zu kompensieren.
Dann rutschte er ab, und der Roboter prallte heftig gegen den Rumpf. Ein großes Stück des hartnäckigen Bewuchses löste sich und enthüllte ein
S
.
»Die unterste Muschelschicht hat sich zu einer festen Masse verhärtet«, sagte Gamay. »Deshalb kann man sie nicht einfach wegbürsten.«
»Und wenn wir es noch mal auf die brutale Tour versuchen?«, fragte Austin und sah den Kapitän an. »Natürlich nur mit Ihrer Erlaubnis.«
Atwood zuckte die Achseln. »Mann, ich bin genauso neugierig wie alle anderen hier. Falls unser Roboter dabei ein paar Beulen abbekommt, soll mich das nicht weiter stören.«
Dann fiel ihm ein, dass der stellvertretende Chef der NUMA unmittelbar vor ihm saß, und er wurde rot. Doch Gunn hatte keine Bedenken. Er biss die Zähne zusammen und rammte wieder und wieder das Schiff, als wolle er ein Burgtor einrennen. Immer mehr Stücke der steinharten Schicht brachen ab und ließen weitere Buchstaben erkennen. Nach einem besonders festen Treffer löste sich eine große Platte, und der gesamte Name des Schiffs wurde sichtbar.
Austin las die kyrillischen Schriftzeichen im Lichtkegel des FTR und schüttelte den Kopf.
»Mein Russisch ist ein wenig eingerostet, aber das sieht nach
Odessa Star
aus.«
»Kommt mir nicht bekannt vor«, sagte Atwood. »Haben Sie je von diesem Schiff gehört?«
»Nein«, sagte Austin. »Aber ich möchte wetten, ich kenne jemanden, der uns behilflich sein kann.«
22
Washington, D.C.
St. Julien Perlmutter hatte den Großteil des vergangenen Tages im Auftrag der Smithsonian Institution zugebracht und die Geschichte eines Panzerschiffs aus dem amerikanischen Bürgerkrieg recherchiert. Mittlerweile war es lange nach Mitternacht, und die Arbeit hatte ihn hungrig gemacht. Genau genommen war Perlmutter
immer
hungrig. Jeder normale Mensch hätte zu dieser nachtschlafenden Zeit allenfalls noch ein einfaches Sandwich verzehrt. Nicht so Perlmutter. Er frönte seiner Vorliebe für die deutsche Küche und gönnte sich eine Schweinshaxe mit Sauerkraut, dazu einen leichten Riesling Kabinett aus seinem Weinkeller, der mit viertausend Flaschen aufwarten konnte. Das Tafelsilber und das Porzellan, von dem er speiste, stammten ursprünglich von Bord des französischen Luxusliners
Normandie
. Perlmutter war vollauf zufrieden. Die gute Laune verflog auch dann nicht, als sein Telefon mit dem Geräusch einer Schiffsglocke klingelte.
Er tupfte sich den Mund und den dichten grauen Vollbart mit einer Leinenserviette ab, die sein persönliches Monogramm trug, und streckte die fleischige Hand nach dem Hörer aus. »St. Julien Perlmutter«, meldete er sich freundlich. »Bitte formulieren Sie Ihr Anliegen so knapp wie möglich.«
»Tut mir Leid, ich muss mich wohl verwählt haben«, sagte die Stimme am anderen Ende der Leitung. »Der Gentleman, den ich erreichen möchte, würde niemals so höflich ans Telefon gehen.«
»Aha!«
, brüllte Perlmutter. »Das
sollte
Ihnen auch Leid tun, Kurt. Was macht
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