Flammendes Eis
Aufforderung war überflüssig, denn alle hielten von sich aus gebührenden Abstand zu dem Schiffsungetüm, dessen Geschwindigkeit Austin auf etwa zehn Knoten schätzte.
Dann schien die
Ataman Explorer
langsamer zu werden, und von Deck löste sich ein kleiner Punkt, der immer größer wurde und dabei wie eine aufgescheuchte Hornisse brummte. Kur z darauf überflog der schwarze Helikopter die Fischfangflotte.
Jenkins und Howes winkten der Maschine freundlich zu. Sie umkreiste die Boote einige Male und kehrte zu dem Schiff zurück.
Austin, der mit Trout im Ruderhaus die Tauchausrüstung anlegte, schaut e dem Hubschrauber gelassen hinterher. »Ich schätze, wir haben die Inspektion überstanden«, sagte er.
»Das war wesentlich freundlicher als der Empfang, den man Gamay und mir auf dem Ataman-Gelände in Noworossijsk bereitet hat.«
»Dafür kannst du dich bei Jenkins bedanken. Es war seine Idee, für jede Menge Zeugen zu sorgen, damit Ataman schön brav bleibt.«
Austin war froh, dass er auf Jenkins gehört hatte, als dieser vorschlug, durch eine höhere Teilnehmerzahl für mehr Sicherheit zu sorgen. Da die
Ataman Explorer
sich mitten in einem wichtigen Fanggebiet aufhielt, würden Fischkutter kein Misstrauen erregen. Und tatsächlich hatte Austin unterwegs ein halbes Dutzend anderer Boote gesehen, die ihre Netze auswarfen.
Sein Plan basierte auf der erfolgreichen Infiltration des U-Boot-Bunkers von Bord der
Turgut
, doch verglichen mit seinem jetzigen Vorhaben war das Eindringen in den Stützpunkt eine Kleinigkeit gewesen. Im Gegensatz zu den großmäuligen Kosaken, die lieber Menschen-Polo gespielt als Wache gehalten hatten, mussten sie hier mit aufmerksamen und gut bewaffneten Posten rechnen.
Dann kam der Moment, auf den Austin gewartet hatte: Das Schiff stellte die Fahrt ein.
Die
Kestrel
verfügte am Heck über eine große trommelförmige Winde, auf der ein Schleppnetz aufgewickelt war, das Jenkins immer dann einsetzte, wenn er es nicht auf Hummer abgesehen hatte. Zusammen mit dem Chief ließ er es nun zu Wasser. Dann nahm die
Kestrel
wieder Fahrt auf und fuhr in hundert Metern Abstand an der
Explorer
vorbei. Auf diese Weise konnte man das Fischerboot vom Schiff aus genau in Augenschein nehmen. Was die Leute nicht sahen, waren die beiden Taucher, die an der gegenüberliegenden Bordwand hingen.
Nach ungefähr der Hälfte der Strecke schaltete Jenkins die Maschine der
Kestrel
in den Leerlauf und ging an Deck, um mit Howes an der Winde herumzufummeln, als gäbe es ein Problem.
Austin und Trout ließen sich ins Wasser fallen und tauchten unter dem Boot hindurch. Sie wollten in größere Tiefe vordringen und dem Netz aus dem Weg gehen.
Man hatte vereinbart, dass Jenkins einige Kilometer weiterfahren und dann umdrehen und auf der anderen Seite des Schiffs zurückkehren würde. Dadurch blieb ihnen etwa eine Stunde, um an Bord der
Explorer
und wieder zum Boot zu gelangen. Die Verständigung mit Jenkins sollte über den Unterwasserfunk der Taucher und einen passenden Empfänger ablaufen, den Trout zuvor über die Bordwand der
Kestrel
gehängt hatte.
Mit gleichmäßigen Flossenschlägen schwammen sie zügig nach unten, bis sie das gedämpfte Dröhnen der Maschine hörten, als Jenkins wieder Fahrt aufnahm. Danach gingen sie auf eine Tiefe von zehn Metern, wo noch ausreichend gute Sichtverhältnisse herrschten. Wenig später hatten sie das Schiff erreicht.
Aus dem Zwielicht ragte wie ein schlafender Riesenwal der gewaltige Rumpf auf. Austin bedeutete Trout, nach unten abzutauchen. Als sie sich direkt unter dem riesigen Kiel befanden, blickten sie auf und schalteten die Strahler ein. Es fiel schwer, sich von den Tausenden Tonnen Stahl über ihren Köpfen nicht nervös mache n zu lassen.
»Jetzt weiß ich, wie eine Wanze sich fühlt, kurz bevor sie zertreten wird«, sagte Trout und starrte die schwarze Masse an.
»Der Gedanke ist mir auch schon gekommen, aber ich wollte dich nicht beunruhigen.«
»Zu spät. Wo wollen wir anfangen?«
»Falls ich die Satellitenfotos richtig interpretiert habe, müssten wir mittschiffs fündig werden.«
Sie schwammen langsam nach oben, bis der muschelbewachsene Schiffsboden ihr gesamtes Sichtfeld ausfüllte. Im Schein der Lampe entdeckte Austin, wonach er suchte: einen Saum mit Gummikante, der von einer Seite des flachen Rumpfs zur anderen verlief. »Bingo!«, rief er.
Auf den Satellitenbildern war Kurt neben einem der Ausleger eine große Öffnung im Deck aufgefallen. Jemand
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