Flammendes Eis
Pluderhose. An der Mütze hing das hier.« Er griff in die Tasche und zog das Emblem hervor, das er dem Toten abgenommen hatte.
Petrow betrachtete das Abzeichen mit ausdrucksloser Miene und reichte es an einen seiner Männer weiter. »Fahren Sie fort.«
»Nachdem ich mich davon überzeugt hatte, dass die Fernsehleute in Ordnung waren, habe ich das Schiff verständigt.
Die
Argo
hat uns eingesammelt, und dann sind wir so schnell wie möglich verschwunden.«
»Wir haben weder eine Leiche noch Waffen gefunden«, sagte Petrow.
»Was mit dem Toten passiert ist, weiß ich nicht. Vielleicht sind seine Freunde nach unserem Aufbruch zurückgekehrt, um ihn zu holen. Die Waffen haben wir mitgenommen.«
»Das ist Diebstahl, Mr. Austin.«
»Ich würde es lieber als Kriegsbeute bezeichnen.«
Petrow winkte ab. »Egal. Was ist mit diesen Fernsehleuten?
Haben sie irgendwas von dem Vorfall gefilmt?«
»Die hatten zu viel damit zu tun, um ihr Leben zu rennen.
Später haben sie dann den Toten gefilmt, aber ohne weitere Erklärung dürften sie mit den Bildern kaum etwas anfangen können.«
»Diesen Leuten zuliebe hoffe ich, dass Sie Recht behalten.«
»Falls ich darf, hatte ich nun eine Frage an Sie, Iwan.«
»Ich bin derjenige, der hier die Fragen stellt.«
»Dessen bin ich mir durchaus bewusst, aber da ich Ihnen so wunderhübsche Blumen geschickt habe, könnten Sie mir doch wenigstens ein bisschen entgegenkommen.«
»Ich habe Ihnen für Ihre freundliche Geste bereits einen Gefallen erwiesen. Ich habe Sie nicht getötet. Aber sprechen Sie ruhig weiter. Eine Frage gestatte ich Ihnen.«
»Was, zum Teufel, hat das alles zu bedeuten?«
Um Petrows Mundwinkel spielte die Andeutung eines Lächelns. Er nahm die Zigarettenschachtel, die vor ihm auf dem Tisch lag, zog bedächtig eine Zigarette daraus hervor, steckte sie sich zwischen die Lippen, zündete sie an und stieß den Rauch durch die Nasenlöcher aus. Der Duft des starken Tabaks erfüllte das Büro und vertrieb den muffigen Geruch.
»Was wissen Sie über die gegenwärtige politische Lage in Russland?«
»Was ich in den Zeitungen gelesen habe. Es ist kein Geheimnis, dass Ihr Land unter großen Problemen leidet. Ihre Wirtschaft steht auf wackligen Beinen, und die Korruption ist schlimmer als damals in Chicago unter Capone. Ihr Militär ist unterbezahlt und unzufrieden, Ihr Gesundheitssystem liegt am Boden, in den Grenzregionen regen sich Unabhängigkeitsbewegungen, und teilweise herrscht offener Bürgerkrieg. Aber Sie verfüge n über geschulte und tatkräftige Arbeiter sowie über Bodenschätze im Überfluss. Falls Sie sich nicht immer wieder selbst ins Knie schießen, werden Sie wieder auf die Beine kommen, aber das dürfte einige Zeit dauern.«
»Eine recht treffende Zusammenfassung eines komplizierten Sachverhalts. Normalerweise würde ich Ihnen zustimmen, dass wir die Krise letzten Endes meistern können. Unser Volk ist schlechte Zeiten gewohnt. Meistens wächst es sogar daran. Aber im Augenblick sind Kräfte am Werk, deren Macht alles bisher Dagewesene übersteigt.«
»Was für Kräfte?«
»Die denkbar
schlimmsten
. Menschliche Leidenschaften, die durch Zynismus, Entsetzen und Hoffnungslosigkeit zu einem glühenden Nationalismus aufgepeitscht wurden.«
»Es hat doch auch vorher schon nationalistische Bestrebungen gegeben.«
»Stimmt, aber bislang ist es uns stets gelungen, sie an den Rand zu drängen und die Rädelsführer entweder zu erpressen oder als exzentrische Spinner zu verteufeln, bevor sie ihr Gedankengut ausbreiten und nennenswerte Anhängerscharen ködern konnten. Diesmal ist es anders. Diese neue Bewegung umfasst die Steppen Südrusslands entlang des Schwarzen Meeres, wo die Neo-Kosaken beheimatet sind.«
»
Kosaken?
So wie die Angreifer neulich?«
»Genau. Die Kosaken waren ursprünglich Geächtete und Flüchtlinge – Nomaden, die es in den Süden Russlands und in die Ukraine verschlug, wo sie sich zu einem losen Bund zusammenschlossen. Sie waren berühmt für ihre Reitkunst, die unter anderem Peter dem Großen dabei half, die Türken zurückzuschlagen. Im Laufe der Zeit entwickelten die Kosaken sich zu einer militärischen Schicht, die als Elite-Kavallerie den Zaren diente und oft dazu eingesetzt wurde, Umstürzler, Streikende oder Minderheiten zu terrorisieren.«
»Dann kam die bolschewistische Revolution, der Zar wurde gestürzt, und die Kosaken endeten als Droschkenfahrer in Paris«, stellte Austin fest.
»Nicht alle hatten so viel Glück.
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