Flammenherz (German Edition)
kaute auf einem seiner Fingernägel.
»Nun, erst einmal werde ich den Jungen gründlich untersuchen und dann werden wir weitersehen«, erwiderte sie ruhig. Gregor nickte, öffnete die Kerkertür und verschwand dann wieder blitzschnell in seine Ecke. In der Zelle kam Sarin ihr aufgeregt entgegen.
»Habt Ihr alles?«, fragte er. Mistress Graham hob ihren Rock, entknotete die Schnüre und begann eine Decke nach der anderen zutage zu fördern. Sarin beobachtete sie mit großen Augen und war erstaunt, wie viel Platz unter einem Frauenrock war.
Nach einigen Minuten, lag vor ihnen auf dem Boden ein mächtiger Stoffhaufen und Mistress Graham lächelte zufrieden.
»Schaff sie dort hinüber an die Wand«, befahl sie Sarin und deutete mit dem Finger auf die dunkelste Ecke im Raum. Während Sarin damit beschäftigt war, die Decken an die geforderte Stelle zu tragen, ging Mistress Graham zur Tür und streckte ihren Kopf durch den Spalt. Sie winkte Gregor zu sich, dem sichtlich unwohl bei dem Gedanken war, sich dem vermeintlich kranken Jungen zu nähern.
»Gregor, seid so nett und holt mir meinen Korb mit der Medizin, den ich oben am Eingang abgestellt habe.« Das musste sie ihm nicht zweimal sagen. Der bullige Mann machte auf dem Absatz kehrt und eilte zur Treppe, anscheinend froh der bedrohlichen Ansteckungsgefahr für einen Augenblick entfliehen zu können.
»Schnell Sarin, wir haben nicht viel Zeit«, rief sie und bedeutete ihm mit einer Handbewegung, den Kerker zu verlassen.
Der Junge lief an der Treppe vorbei und versteckte sich in dem gegenüberliegenden Gang, der zu weiteren Zellen führte. Er presste sich dicht an die Steinmauer und seine Gestalt verlor sich in der Dunkelheit.
Kurz darauf kam der laut schnaufende Kerkermeister zurück.
»Hat er die Pocken?«, fragte er ängstlich, als er Mistress Graham den Korb überreichte.
»Das kann ich noch nicht genau sagen, aber zur Sicherheit habe ich eine Arznei für dich«, erwiderte sie, zog ein kleines Fläschchen aus dem Korb und reichte es Gregor.
Sarin nutze inzwischen die Gelegenheit, dass Gregor ihm den Rücken zugedreht hatte, und huschte die Stufen nach oben, bis er außer Sicht war. Ohne nachzufragen, was er da trinken sollte, entkorkte der Kerkermeister das Fläschchen und leerte es mit einem einzigen Zug. Anschließend begab er sich wieder auf seinen Stuhl.
Mistress Graham ging zurück in die Zelle und drapierte die Decken zu einem langen Schlauch am Boden. Danach warf sie die graue Decke darüber und knetete die Form des Haufens ein wenig zurecht.
Als sie einige Schritte zurücktrat und ihr Werk betrachtete, war sie selbst erstaunt, wie ähnlich das Bündel einem schlafenden Körper glich. Sie lächelte zufrieden, nahm ihren Korb und ging auf den Gang. Gregor sprang auf und sah sie fragend an.
»Und? Sind es die Pocken?« Mistress Graham seufzte laut.
»Es sieht ganz danach aus, aber Genaueres kann ich erst morgen sagen.« Dann sah sie zu den Decken am Boden und Gregors Blick folgte dem ihren.
»Ich habe ihm ein Mittel gegeben, das ihn schlafen lässt. Morgen komme ich wieder und sehe nach ihm. Bis wir Genaueres wissen, folge bitte meiner Anweisung und nähere dich dem Jungen nicht.
Wenn du hier im Gang bleibst, droht dir keine Gefahr.« Gregor nickte und schloss die Tür zu Sarins Zelle, dann gähnte er lautstark.
»Ich werde mich ein wenig auf die Pritsche legen und etwas ausruhen«, sagte er und deutete auf den Gang, in dem vor einigen Minuten, noch Sarin gestanden hatte.
»Ja, tut das. Ein wenig Schlaf kann nicht schaden und der Junge ist sowieso ruhiggestellt«, stimmte sie ihm zu.
»Wir sehen uns dann morgen. Und sag niemandem etwas, solange wir nicht sicher sind«, ermahnte sie ihn noch einmal mit erhobenem Zeigefinger.
»Verstanden«, antwortete er und huschte in eine der leeren Zellen im gegenüberliegenden Gang. Mistress Graham stieg die Treppen empor. Als sie die halbe Strecke bewältigt hatte, stand Sarin auf den Stufen und erwartete sie.
»Das hat ja wunderbar funktioniert«, sagte er voller Bewunderung und strahlte sie an. Mistress Graham erwiderte sein Lächeln und hakte sich bei ihm ein.
»Jetzt gehen wir zu Laird Malloy und du wirst ihm alles erzählen, was du weißt.«
Sie hatten Caleb in der Bibliothek gefunden, er machte einen sehr erschöpften und überaus deprimierten Eindruck. Als er Sarin erkannte, sprang er überrascht auf.
Bevor er ihn jedoch mit Fragen bombardieren konnte, hatte Mistress Graham ihn wieder in
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