Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition)

Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Kepler
Vom Netzwerk:
rostfreiem Stahl schimmern matt. Unter dem Deckel einer Mülltonne lugt eine blutige Plastikschürze hervor.
    Er zieht lautlos seine Waffe und spürt ein dumpfes Kribbeln im Herzen, als ihm der Geruch von Waffenfett in die Nase steigt.

120
    MIT DER WAFFE IN DER HAND schleicht Joona sich geduckt an den großen Maschinen vorbei. Er nimmt den süßlichen Geruch wahr, der von den ausgespülten Bodenrillen und den Gummimatten aufsteigt. Gleichzeitig fällt ihm ein, dass er der Einsatzzentrale keine Adresse gegeben hat und die Verstärkung das Schlachthofgelände zwar wahrscheinlich schon erreicht hat, es aber etwas dauern könnte, bis man Vicky findet.
    Die Erinnerung blitzt ebenso plötzlich wie unbarmherzig auf. Die Sekunden, in denen sich unser Leben entscheidet, sind ständig im Fluss. Die Zeitebenen gleiten ineinander. Joona war damals elf, und der Rektor holte ihn aus dem Klassenzimmer in den Schulflur und erzählte ihm, was geschehen war, ohne seine Tränen zurückhalten zu können.
    Joonas Vater war Streifenpolizist und im Dienst getötet worden, als er eine Wohnung betrat und in den Rücken geschossen wurde. Obwohl es gegen die Vorschriften verstieß, war sein Vater allein in die Wohnung gegangen.
    Jetzt hat Joona keine Zeit, auf Verstärkung zu warten.
    Von der Decke mit Kettenförderern und Rohrleitungen hängen pneumatische, von schmutzigen Schichten bedeckte Schulterblattzieherherab.
    Er bewegt sich lautlos vorwärts und hört immer deutlicher Stimmen.
    »Nein, er muss erst aufwachen«, sagt ein Mann schleppend und röchelnd.
    »Warte noch einen Moment.«
    Joona erkennt Tobias’ Stimme mit ihrem unschuldig jungenhaften Tonfall.
    »Verdammt, was hast du dir nur dabei gedacht?«, fragt ein anderer.
    »Dass er so ruhig bleiben würde«, antwortet Tobias sanft.
    »Er ist ja fast tot«, erklärt der röchelnde Mann. »Ich werde erst bezahlen, wenn ich weiß, dass er okay ist.«
    »Wir bleiben noch zwei Minuten«, sagt ein dritter Mann mit ernster Stimme.
    Joona geht weiter, und als er das Ende einer Maschinenreihe erreicht, kann er das Kind plötzlich sehen. Der Junge liegt auf einer grauen Decke auf der Erde. Er trägt einen zerknitterten blauen Pullover, eine dunkelblaue Hose und kleine Turnschuhe. Sein schlaffes Gesicht ist gewaschen, Haare und Hände sind dagegen schmutzig.
    Neben dem Jungen steht ein hochgewachsener Mann mit Lederweste und einem großen Bierbauch. Ihm läuft Schweiß über das Gesicht, während er auf und ab tigert, er kratzt sich an dem weißen Bart auf seiner Wange und seufzt gereizt.
    Joona wird von Tropfen getroffen. Eine Schlauchmuffe sitzt lose. Wasser tropft herab und läuft über die Kacheln zu einem vor ihm gelegenen Bodenabfluss.
    Der dicke Mann bewegt sich rastlos durch den Raum, sieht auf die Uhr, von seiner Nasenspitze fällt ein Schweißtropfen herab. Schnaufend geht er neben dem Jungen in die Hocke.
    »Wir machen ein paar Bilder«, sagt ein anderer Mann, den Joona bisher nicht gehört hat.
    Joona weiß nicht, was er tun soll, er geht von vier Männern aus, kann aber nicht einschätzen, ob sie bewaffnet sind.
    Eigentlich bräuchte er eine Eingreiftruppe.
    Das Gesicht des dicken Mannes glänzt, als er die Turnschuhe von Dantes Füßen abstreift.
    Kleine, gestreifte Söckchen werden mitgezogen und fallen zu Boden. Die runden Fersen plumpsen auf die Decke.
    Als die Pranken des Mannes anfangen, die Jeans des Jungen aufzuknöpfen, hält Joona es einfach nicht mehr aus. Er richtet sich auf.
    Ohne sich zu verbergen, geht er an den Zerlegearbeitsplätzen mit ihren frisch geschliffenen Messern in unterschiedlichen Längen, Stärken und Klingenformen vorbei.
    Er hält die Pistole nach unten gerichtet.
    Sein Herz schlägt angsterfüllt.
    Joona weiß, dass er sich nicht an die Vorschriften hält, aber er kann nicht länger warten und geht mit großen Schritten weiter.
    »Was zum Teufel«, sagt der dicke Mann und blickt auf.
    Er lässt den Jungen los, bleibt aber auf den Knien.
    »Sie stehen unter dem Verdacht, an einem Menschenraub beteiligt zu sein«, sagt Joona und tritt dem Dicken gegen den Brustkorb.
    Schweiß spritzt vom Gesicht des Mannes ab, als er von dem harten Schlag nach hinten geworfen wird. Er fällt hilflos zwischen die Eimer für Schlachtabfälle, rollt über das Bodengitter, reißt eine Kiste mit Kapselgehörschützern um und kracht gegen die schwere Enthaarungsmaschine.
    Joona hört, dass eine Waffe entsichert wird und spürt unmittelbar darauf den Druck der Mündung in

Weitere Kostenlose Bücher