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Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition)

Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Kepler
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seinem Rücken, genau zwischen Rückgrat und Schulterblatt, schnell und exakt. Er rührt sich nicht von der Stelle, weil er weiß, dass die Kugel sein Herz durchschlagen würde, wenn sie in dieser Sekunde die Pistole verließe.
    Von der Seite nähert sich ein Mann zwischen fünfzig und sechzig mit einem blonden Pferdeschwanz und einer hellbraunen Lederjacke. Er bewegt sich so geschmeidig wie ein Leibwächter und richtet eine abgesägte Schrotflinte auf Joona.
    »Erschieß ihn«, ruft jemand.
    Der fette Mann liegt auf dem Rücken und atmet keuchend. Er rollt herum und versucht aufzustehen, stolpert aber, stützt sich mit der Hand ab, rappelt sich zitternd auf und verschwindet aus Joonas Blickfeld.
    »Wir können hier nicht noch länger bleiben«, flüstert Tobias.
    Joona versucht, im spiegelnden Metall der Arbeitsfläche und in der blanken Stahlummantelung der herabhängenden Schulterblattzieher etwas zu erkennen, aber es lässt sich nicht ausmachen, wie viele Männer sich hinter ihm befinden.
    »Gib die Waffe ab«, sagt eine ruhige Stimme.
    Joona lässt zu, dass Tobias seine Waffe an sich nimmt und denkt, dass die Kollegen ihn bald finden müssen und es nicht der richtige Moment ist, etwas zu riskieren.

121
    VICKY BENNET SITZT AUF DEM BEIFAHRERSITZ in Joonas Auto. Sie beißt auf ihre trockenen Lippen und starrt das rotbraune Haus an.
    Sie hat die Hand auf das Lenkrad gelegt, damit die Handschelle ihr nicht ins Handgelenk schneidet.
    Wenn sie wütend oder ängstlich gewesen ist, fällt es ihr hinterher oft schwer, sich zu erinnern. Es ist, als folgte man mit den Augen einem Sonnenreflex. Er hüpft umher und verharrt manchmal zitternd auf einem Detail, ehe er verschwindet.
    Vicky schüttelt den Kopf, schließt ganz fest die Augen und schaut dann wieder hin.
    Sie weiß nicht, wie viel Zeit vergangen ist, seit der Kriminalkommissar mit der schönen Stimme mit flatternden Jackettschößen davoneilte.
    Vielleicht ist Dante schon verloren und in dem schwarzen Loch verschwunden, das Kinder, Mädchen wie Jungen, ansaugt.
    Sie versucht, Ruhe zu bewahren, spürt aber, dass sie nicht im Auto bleiben kann.
    Eine Ratte streicht langsam an einem feuchten Betonfundament entlang und lässt sich in einen Gulli rutschen.
    Der Mann, der am hinteren Ende der Gasse einen Gabelstapler fuhr, hat die Arbeit eingestellt. Bevor er ging, hat er die hohen Tore des Hangars zugezogen und abgeschlossen.
    Vicky betrachtet ihre Hand, das blanke Metall, das sie festhält, die klirrenden Kettenglieder.
    Er hatte versprochen, Dante zu seiner Mutter zu bringen.
    Vicky wimmert.
    Wie konnte sie Tobias nur jemals wieder vertrauen? Wenn Dante verschwindet, ist das ihre Schuld.
    Sie versucht, etwas durch das hintere Fenster zu sehen. Die Türen sind geschlossen, kein Mensch ist zu sehen, der gelbe Stoff einer eingerissenen Markise bewegt sich im Wind.
    Sie zerrt mit beiden Händen am Lenkrad des Wagens, versucht, es abzureißen, aber es geht nicht.
    »Verdammt …«
    Sie atmet keuchend und schlägt den Kopf gegen die Nackenstütze.
    Auf einem Plakat mit Werbung für frisches Fleisch und schwedische Nahrungsmittel hat jemand Augen und einen traurigen Mund in den Schmutz gezeichnet.
    Der Kommissar hätte längst wieder zurück sein müssen.
    Plötzlich hört man einen heftigen Knall, so laut wie eine Explosion.
    Ein knatterndes Echo verhallt, dann wird es wieder still. Sie versucht, etwas zu sehen und dreht sich um, aber das Gelände ist verlassen.
    Was tun sie?
    Das Herz pocht ihr bis zum Hals.
    Alles Mögliche kann dort geschehen.
    Sie atmet schneller und denkt an ein einsames Kind, das in einem Raum voller unbekannter Männer verängstigt weint.
    Das Bild ist einfach aufgetaucht – sie hat keine Ahnung, wie sie jetzt darauf kommt.
    Vicky streckt sich, späht aus dem Fenster, spürt die Panik immer größer werden und versucht, ihr Gelenk aus der Handschelle zu winden, aber es geht nicht. Sie zieht fester und stöhnt vor Schmerzen auf. Das Metall rutscht ein kleines Stück den Handrücken hinauf und bleibt hängen. Sie atmet durch die Nase, lehntsich zurück, setzt einen Fuß auf das Lenkrad und den zweiten auf den Rand der Handschelle und stößt sich mit voller Kraft ab.
    Vicky Bennet schreit laut auf, als das Metall die Haut aufreißt und der Daumen gebrochen wird, als sich die Hand aus ihrer Fessel befreit.

122
    DER DRUCK DER PISTOLENMÜNDUNG verschwindet aus Joonas Rücken, schnelle Schritte entfernen sich ein wenig, und er dreht sich langsam

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