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Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition)

Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Kepler
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konntest du doch noch ein bisschen Zeit mit Elisabeth verbringen.«
    »Ja«, sagt Vicky lächelnd.
    »Bist du Elisabeths Liebling?«
    »Nein.«
    »Wer ist ihr Liebling?«, fragt Saga.
    Vicky schlägt schnell und völlig überraschend mit dem Handrücken zu, aber Saga weicht nur mit dem Kopf aus, ohne den Körper zu bewegen. Vicky begreift nicht, wie ihr geschieht, wie sie vorbeischlagen und es der Polizistin gleichzeitig gelingen konnte, eine Hand ganz sanft auf ihre Wange zu legen.
    »Bist du müde?«, fragt Saga und lässt die Hand tröstend auf der Wange des Mädchens liegen.
    Vicky sieht sie an und hält die Hand einen Augenblick fest, ehe sie sich plötzlich einfach abwendet.
    »Du nimmst vor dem Schlafen immer dreißig Milligramm Zyprexa«, fährt Saga nach einer Weile fort.
    »Ja.«
    Die Stimme des Mädchens klingt jetzt monoton und abweisend.
    »Um welche Uhrzeit?«
    »Um zehn.«
    »Konntest du danach einschlafen?«
    »Nein.«
    »Wenn ich es richtig verstanden habe, konntest du die ganze Nacht nicht schlafen.«
    »Ich will nicht mehr reden«, sagt Vicky, legt den Kopf schwer ins Kissen und schließt die Augen.
    »Das reicht für heute«, sagt ihr Rechtsbeistand und steht auf.
    »Wir haben noch zwanzig Minuten«, widerspricht die Staatsanwältin.
    »Meine Klientin muss sich ausruhen«, sagt Signe Ridelman und geht zu Vicky. »Du bist müde, stimmt’s? Soll ich dir etwas zu essen besorgen?«
    Die Frau spricht mit ihrem Schützling, und die Staatsanwältin steht am Fenster und hört mit ausdruckslosem Gesicht die Nachrichten in ihrer Mailbox ab.
    Saga will die Aufnahme gerade beenden, als sie zufällig Joonas Blick begegnet und innehält.
    Seine Augen wirken seltsam grau – wie Eis, wenn im Frühjahr der Schnee schmilzt – ehe er wortlos den Raum verlässt. Saga bittet Vickys Rechtsbeistand zu warten und folgt Joona an den Polizisten vorbei ein paar Meter den Flur hinab. Er erwartet sie an einer Stahltür zum Treppenhaus und den Notausgängen.
    »Habe ich etwas übersehen?«, fragt sie.
    »Vicky hat mit blutigen Kleidern in ihrem Bett geschlafen«, berichtet Joona leise.
    »Was sagst du da?«
    »Das steht nicht im Bericht über die Tatortuntersuchung.«
    »Aber du hast es gesehen?«
    »Ja.«
    »Dann hat sie nach den Morden geschlafen?«, fragt Saga.
    »Ich habe keinen Zugang zu den Laborergebnissen, aber mir ist der Gedanke gekommen, dass sie vielleicht eine Überdosis des Medikaments genommen hat, weil es ihr schlecht ging. Vielleicht hat sie angenommen, dass es hilft, aber das tut es nicht, man wird nur noch rastloser und am Ende rasend vor Wut. Wir wissen noch nichts, aber vielleicht wollte sie sich an Miranda rächen, weil sie ihr die Gesprächszeit gestohlen hatte, vielleicht war sie auch wütend auf Elisabeth, weil sie das zugelassen hatte, vielleicht geht es hier aber auch um etwas völlig anderes …«
    »Aber du hältst es für ein mögliches Szenario, dass sie Elisabeth erschlug, den Schlüssel nahm, die Tür zum Isolierzimmer aufschloss, Miranda erschlug und danach einschlief?«
    »Ja, denn die Spuren im Isolierzimmer lassen auf zwei gegensätzliche Dinge schließen, eine unbändige Gewalt, aber auch eine fast schon melancholische Behutsamkeit.«
    Joona sieht Saga direkt in die Augen, aber sein Blick ist nachdenklich und schwer.
    »Als Miranda tot ist, klingt die Wut ab«, sagt er. »Sie versucht, Mirandas Körper zu arrangieren, legt sie aufs Bett und bedeckt die Augen mit den Händen. Danach kehrt sie in ihr eigenes Zimmer zurück, und zur gleichen Zeit wird sie von der beruhigenden Wirkung des Medikaments übermannt, es ist ein starkes Präparat … und wird wahnsinnig müde.«

138
    ALS SAGA IN DAS KRANKENHAUSZIMMER ZURÜCKKEHRT , versucht die Staatsanwältin, sie davon zu überzeugen, dass die verbleibenden fünfzehn Minuten zu kurz sind, um noch etwas von Wert herauszufinden. Saga nickt nur, als würde sie ihr zustimmen und geht anschließend zum Fußende des Betts. Vickys Rechtsbeistand sieht sie fragend an. Saga wartet mit den Händen auf dem glänzenden Metall des Fußendes, bis Vicky ihr das verletzte Gesicht zuwendet und ihrem Blick begegnet.
    »Ich dachte, du wärst die ganze Nacht wach gewesen«, beginnt Saga sehr langsam. »Aber Joona sagt, dass du in deinem Bett geschlafen hast, bevor du das Haus Birgitta verlassen hast.«
    Vicky schüttelt den Kopf, und ihr Rechtsbeistand versucht, dazwischenzugehen: »Die Vernehmung ist für heute beendet und …«
    Vicky flüstert etwas und

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