Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition)
die Tagesdecke im Tigermuster herunter, wälzt die ganze Matratze fort, öffnet die Kleiderkammer, schiebt Elisabeths Kleider zur Seite und klopft gegen die Wand, tritt alte Schuhe fort und zieht einen Karton mit Weihnachtsschmuck heraus, geht ins Badezimmer, schaut in den Schrank zwischen Rasierwasser, Pillendosen und Make-up, geht bis in den Keller hinunter, sieht die Werkzeuge an der Wand durch, drückt die Klinke der abgeschlossenen Tür zum Heizungskeller herunter, zieht den Rasenmäher fort, hebt den Deckel des Bodenabflusses an, schaut hinter die Säcke mit Blumenerde und geht anschließend wieder hoch.
Er bleibt mitten im Haus stehen und blickt durch das Fenster zum Garten und zur Hollywoodschaukel hinaus. In der anderen Richtung steht die Haustür offen, und Joona sieht, dass die beiden Polizisten am Auto warten.
Joona schließt die Augen und denkt an die Luke in der Decke des Schlafzimmers, die zum Speicher hinaufführte, an die abgeschlossene Tür zum Heizungskeller und daran, dass das Weinlager unter der Treppe größer hätte sein müssen.
Auf der schmalen Tür unter der Treppe hängt ein altes Schild mit der Aufschrift »Ernst und Scherz«. Er öffnet sie und blickt in das Weinlager. Etwa hundert Flaschen liegen in kleinen Fächern in einem hohen Holzregal. Man erkennt deutlich, dass sich dahinter ein Hohlraum befindet. Mindestens dreißig Zentimeter zwischen der Rückseite des Regals und der Hauswand. Er zieht an dem Regal, räumt an den Seiten Flaschen weg und findet links unten und oben einen Riegel. Vorsichtig lässt er das schwere Regal auf seinen Scharnieren aufschwingen. Der Geruch von Staub und Holz schlägt ihm entgegen. Der Raum dahinter ist praktisch leer, aber auf dem Boden steht ein Schuhkarton mit einem aufgemalten Herzen auf dem Deckel.
Joona zieht sein Handy heraus, fotografiert den Karton und zieht sich anschließend saubere Latexhandschuhe an.
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ALS JOONA VORSICHTIG DEN DECKEL VON DEM KARTON HEBT , sieht er als Erstes ein Foto von einem Mädchen mit rotblonden Haaren. Es ist nicht Miranda. Es ist ein anderes, ungefähr zwölf Jahre altes Mädchen.
Sie hat sich dem Fotografen zugewandt und hält sich die Hände vors Gesicht.
Es ist nur ein Spiel – ihr Mund ist fröhlich, und man sieht die leuchtenden Augen zwischen den Fingern.
Joona hebt die Aufnahme vorsichtig hoch und findet eine getrocknete Hagebuttenblüte.
Auf dem nächsten Bild sitzt ein Mädchen auf einer braunen Couch und isst Chips. Sie schaut mit fragendem Blick in die Kamera.
Joona dreht einen Glanzbildengel um und sieht, dass jemand mit einem Goldstift auf die Rückseite Linda S geschrieben hat.
Auf einem Stapel Fotografien, der von einem Gummi zusammengehalten wird, liegt eine hellbraune Locke, eine Seidenbandschleife und ein billiger Ring mit einem Plastikherzen.
Er blättert in den Bildern von verschiedenen Mädchen, die in irgendeiner Weise alle an Miranda erinnern, wenngleich die meisten wesentlich jünger sind. Auf manchen Fotos haben sie die Augen geschlossen oder halten sich die Hände vor die Augen.
Ein kleines Mädchen in einem rosa Ballettkleid und rosa Stulpen bedeckt sein Gesicht.
Joona dreht das Foto um und liest »Geliebte Sandy«. Rund um die beiden Worte sind mit rotem und blauem Stift eine Menge Herzen gezeichnet.
Ein Mädchen mit kurzen Haaren blickt unverwandt in die Kamera und schneidet eine schlecht gelaunte Grimasse. In die glänzende Fläche des Fotos hat jemand ein Herz und den Namen Euterpe geritzt.
Auf dem Boden des Kartons liegen ein geschliffener Amethyst, einige getrocknete Blütenblätter einer Tulpe, Bonbons und ein Zettel, auf den ein Kind geschrieben hat: Daniel + Emilia.
Joona zieht sein Handy heraus, hält es eine Weile in der Hand, betrachtet die Fotos und ruft Anja an.
»Ich habe nichts«, sagt sie. »Ich weiß ja nicht einmal, wonach ich suche.«
»Todesfälle«, erwidert Joona, den Blick auf ein Mädchen mit Händen vor dem Gesicht gerichtet.
»Ja, aber es tut mir leid … Daniel Grim hat als Therapeut in sieben verschiedenen Einrichtungen für problematische Jugendliche im Westlichen Norrland und in den Provinzen Gävleborg und Jämtland gearbeitet. Er ist nicht vorbestraft und wurde nie eines Verbrechens beschuldigt. Es liegen keine internen Anzeigen gegen ihn vor … nicht einmal Abmahnungen.«
»Verstehe«, sagt Joona.
»Bist du sicher, dass du den richtigen Mann hast? Ich habe mal verglichen … In seiner Zeit ist die Sterblichkeit in den
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