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Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition)

Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Kepler
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die Tür hinter sich und stellt den Eimer als Hindernis auf, damit sie nicht einfach aufgestoßen werden kann.
    Ihr Herz pocht bereits heftig, als sie den Aufnehmer im Eimer ausspült, anschließend auswringt und das Hochzeitsfoto auf dem Nachttisch betrachtet.
    Ewa versteckt den Schlüssel zum Sekretär auf der Rückseite des Rahmens.
    Flora übernimmt sämtliche Haushaltsarbeiten, um im Gegenzug in ihrem alten Mädchenzimmer wohnen zu dürfen. Sie musste zu Ewa und Hans-Gunnar zurückziehen, seit sie nur noch Sozialhilfe bezieht, nachdem sie ihren Job als Hilfskrankenschwester im Sankt-Görans-Krankenhaus verloren hat.
    Als Kind dachte Flora, ihre richtigen Eltern würden sie eines Tages abholen, aber wahrscheinlich waren sie Rauschgiftsüchtige, da Hans-Gunnar und Ewa immer gesagt haben, sie wüssten nichts über sie. Flora kam als Fünfjährige zu ihnen und hat keine Erinnerungen an die Zeit davor. Hans-Gunnar sprach über sie immer wie über eine Bürde, und seit sie in die Pubertät kam, sehnte Flora sich fort. Als sie neunzehn war, fand sie die Stelle als Hilfskrankenschwester und zog noch im selben Monat in eine eigene Wohnung in Kallhäll.
    Der Aufnehmer tropft, als Flora zum Fenster geht und dort putzt. Unter dem Heizkörper ist der Boden durch frühere Wasserschäden schwarz verfärbt. Die alten Jalousien sind beschädigt und hängen schief zwischen den Scheiben des doppelt verglasten Fensters. Auf dem Fensterbrett steht zwischen Geranien ein Dalapferd aus Rättvik.
    Flora bewegt sich langsam zum Nachttisch, bleibt stehen und horcht.
    Sie hört den Fernsehton.
    Auf dem Hochzeitsfoto sind Ewa und Hans-Gunnar jung. Sie trägt ein weißes Kleid und er einen Anzug und eine silberne Krawatte. Der Himmel ist weiß. Auf einem Hügel neben der Kirchesteht ein schwarzer Glockenturm mit Zwiebelkuppel. Der Turm ragt hinter Hans-Gunnars Kopf auf wie ein seltsamer Hut. Flora weiß nicht, warum dieses Foto bei ihr seit jeher solches Unbehagen auslöst.
    Sie versucht, ruhig zu atmen.
    Vorsichtig lehnt sie den Stiel des Schrubbers an die Wand, wartet aber, bis sie ihre Pflegemutter über etwas in der Fernsehserie lachen hört, ehe sie nach dem Foto greift.
    Auf der Rückseite des Rahmens hängt der verschnörkelte Messingschlüssel. Flora hebt ihn vom Haken, aber ihre Hände zittern dabei so, dass sie ihn verliert.
    Klirrend fällt der Schlüssel auf den Fußboden und holpert unter das Bett.
    Als Flora sich bückt, muss sie sich abstützen.
    Aus dem Flur dringt das Geräusch von Schritten zu ihr, und Flora bleibt liegen und wartet. In ihren Schläfen rast der Puls.
    Der Fußboden hinter der Tür knarrt, danach wird es wieder still.
    Der Schlüssel liegt zwischen verstaubten Kabeln an der Wand. Sie streckt sich und greift nach ihm, steht auf und wartet einen Moment, ehe sie zum Sekretär geht. Sie schließt ihn auf, klappt die schwere Schreibplatte herunter und zieht eine der kleinen Schubladen auf. Unter den Postkarten aus Paris und Mallorca liegen die Umschläge, in denen Ewa das Geld für die laufenden Kosten verwahrt. Flora öffnet das Kuvert für die Rechnungen des nächsten Monats und nimmt die Hälfte der Geldscheine heraus, steckt sie in die Tasche, legt den Umschlag hastig zurück und versucht, die kleine Lade hineinzuschieben, aber sie klemmt aus irgendeinem Grund.
    »Flora«, ruft Ewa.
    Sie zieht die Schublade wieder heraus, kann nichts Ungewöhnliches entdecken, versucht erneut, sie zu schließen, zittert aber zu sehr.
    Im Flur sind wieder Schritte zu hören.
    Flora presst die Lade hinein, die zwar schief sitzt, sich aber dennoch träge und widerwillig schließt. Sie klappt den Sekretär zu, hat aber keine Zeit mehr, ihn abzuschließen. Die Tür zu Ewas Schlafzimmer wird geöffnet und stößt so hart gegen den Eimer, dass Wasser herausschwappt.
    »Flora?«
    Sie greift nach dem Aufnehmer, murmelt etwas, schiebt den Eimer zur Seite, wischt das Wasser auf und putzt anschließend weiter.
    »Ich finde meine Handcreme nicht«, sagt Ewa.
    Ihre Augen sind wachsam, und die Falten um den unzufriedenen Mund vertiefen sich. Sie steht barfuß auf dem frisch geputzten Fußboden, die gelbe Jogginghose sitzt schlabbrig, und das weiße T-Shirt spannt über ihrem Bauch und den großen Brüsten.
    »Die … die könnte im Badezimmerschrank stehen, glaube ich, neben dem Haarwasser«, sagt Flora und spült den Aufnehmer aus.
    Im Fernsehen läuft Werbung, der Ton ist lauter, und gellende Stimmen sprechen über Fußpilz. Ewa bleibt

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