Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition)
sich, und die Straße wird rechts und links von Ackerflächen gesäumt. Überall glänzt und glitzert es. Rote Bauernhöfe stehen geduckt am Waldsaum, und hinter den Höfen erstreckt sich über viele Kilometer hinweg Wald.
Als Joona das ruhige Örtchen Östanskär durchfährt, öffnen zur gleichen Zeit zwei Streifenpolizisten mit einem Winkelschleiferdie Stahltür des Industriegebäudes. Funken sprühen in Kaskaden an die Wand. Die Beamten benutzen stabile Brecheisen, um die Tür in die falsche Richtung aufzuhebeln, dann dringen sie ein.
Die Lichtkegel ihrer Taschenlampen schweifen suchend zwischen dunklen Formationen. Unter schmutzigen Plastikplanen stehen etwa fünfzig veraltete Arcade-Spiele, Automaten mit Namen wie Space Invaders, Asteroids und Street Fighter.
Joona sieht Susanne Öst telefonieren und ihm anschließend im Rückspiegel einen Blick zuwerfen. Sein Handy klingelt. Die Staatsanwältin erzählt ihm rasch, dass jetzt nur noch eine Adresse übrig ist. Es ist nicht weit dorthin. Sie müssten in etwa zehn Minuten dort sein.
Sie bremst, und er folgt ihr, als sie rechts in eine Straße zwischen zwei sumpfigen Weiden einbiegt, die in den Wald führt. Sie nähern sich einem gelben Holzhaus mit heruntergelassenen Jalousien in allen Fenstern. In dem gepflegten Garten wachsen Apfelbäume, und mitten auf dem Grundstück steht eine blauweißgestreifte Hollywoodschaukel.
Sie halten an und gehen gemeinsam zu einem parkenden Streifenwagen.
Joona grüßt die Kollegen und schaut zu dem Haus mit den herabgelassenen Jalousien hinüber.
»Wir wissen nicht, ob Vicky das Auto genommen hat, um das Kind zu kidnappen, oder ob sie lediglich ein Auto haben wollte und das Kind zufällig auf dem Rücksitz saß«, erläutert er. »Aber unabhängig davon müssen wir das Kind derzeit als Geisel betrachten.«
»Als Geisel«, wiederholt die Staatsanwältin leise.
Sie geht zur Tür, klingelt und ruft, dass die Polizei die Tür aufbrechen wird, falls niemand öffnen sollte. In dem Haus bewegt sich jemand. Der Fußboden knarrt, und ein schweres Möbelstück kippt um.
»Ich gehe rein«, sagt Joona.
Ein Polizist bewacht die Haustür, die Giebelseite zur Rasenfläche und das abgeschlossene Garagentor, während der zweite Beamte Joona zur Rückseite des Hauses folgt.
Im hohen Gras werden ihre Schuhe und Hosenbeine feucht. Hinter dem Haus führt eine schmale Betontreppe zu einer Tür mit einem Fenster aus Milchglas hinab. Als Joona die Tür eintritt, splittert der Holzrahmen, und Glasscherben fallen auf einen blauen Plastikfußboden.
32
GLASSCHERBEN KNIRSCHEN unter Joonas Schuhen, als er eine gepflegte Waschküche mit einer Handmangel betritt.
Miranda saß auf einem Stuhl, als sie ermordet wurde, denkt Joona. Elisabeth wurde auf Strümpfen über den Hof und in die Waschküche gehetzt, versuchte fortzukriechen, wurde jedoch von vorn erschlagen.
Er spürt das Gewicht der neuen Pistole, die in ihrem Halfter unter seinem rechten Arm hängt. Es ist eine halbautomatische Smith & Wesson, Kaliber .45 ACP. Sie wiegt ein wenig mehr als seine vorherige, enthält weniger Patronen, lässt sich dafür aber schneller abfeuern. Vorsichtig öffnet Joona eine knarrende Tür und blickt in eine bäuerlich eingerichtete Küche. Auf einem runden Tisch steht eine große Schüssel mit roten Äpfeln, und von einem schönen, alten Holzherd schlägt ihm Feuergeruch entgegen. Eingefrorene Zimtschnecken tauen in einer Schüssel auf, und eine Schublade mit scharfen Küchenmessern steht offen.
Durch die Schlitze der Jalousien lässt sich das feuchte Grün des Gartens erahnen.
Joona geht in den Hausflur und hört die Deckenlampe klirren. Glasprismen schlagen gegeneinander. Jemand bewegt sich in der oberen Etage, so dass die Lampe schwankt.
Er schleicht die Treppe hinauf und schaut nach jedem Schritt nach unten. Die Kleider in der Dunkelheit unter der Treppe bewegen sich nicht.
Joona erreicht den oberen Treppenabsatz, bewegt sich fast lautlos am Geländer entlang und kommt zu einem Schlafzimmer mit Doppelbett.
Die Jalousien sind heruntergelassen, und die Deckenlampe funktioniert nicht.
Joona tritt ein, sichert Schusslinien und bewegt sich seitwärts.
Auf der bunten Flickendecke des Betts liegt das Zielfernrohr eines Jagdgewehrs.
Ganz in der Nähe atmet jemand. Joona geht weiter und richtet die Pistole auf die Zimmerecke. Hinter dem offenen Kleiderschrank steht ein Mann mit runden Schultern und hellbraunen Haaren und starrt ihn an.
Der Mann ist barfuß
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