Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition)
in der Tür stehen und sieht sie an.
»Hans-Gunnar hat der Kaffee nicht geschmeckt«, sagt sie.
»Das tut mir leid.«
Flora wringt Putzwasser aus.
»Er sagt, dass du das Paket mit billigerem Kaffee füllst.«
»Warum sollte ich das …«
»Lüg mich nicht an«, unterbricht Ewa sie.
»Das tue ich auch nicht«, murmelt Flora und fährt fort, den Boden zu wischen.
»Dir wird ja wohl hoffentlich klar sein, dass du seine Tasse holen, sie spülen und neuen Kaffee aufsetzen musst.«
Flora hört auf zu putzen, lehnt den Stiel neben der Tür an die Wand, entschuldigt sich und geht ins Wohnzimmer. Sie spürt den Schlüssel und die Geldscheine in ihrer Tasche. Als sie nachder Tasse neben dem Gebäckteller greift, sieht Hans-Gunnar sie nicht einmal an.
»Verdammt, Ewa«, ruft er. »Es geht weiter!«
Seine Stimme lässt Flora zusammenzucken, dann eilt sie los, begegnet im Flur Ewa und sucht Blickkontakt zu ihr.
»Weißt du noch, dass ich heute Abend zu einem Bewerbungstraining gehen muss?«, sagt Flora.
»Du findest doch sowieso keinen Job.«
»Das mag sein, aber ich muss da hin, es ist Pflicht … Ich setze neuen Kaffee auf und sehe zu, dass ich mit den Fußböden fertig werde … Die Gardinen kann ich dann ja morgen waschen.«
34
FLORA BEZAHLT DEN MANN in dem grauen Mantel. Von seinem Regenschirm tropft Wasser auf ihr Gesicht. Er gibt ihr den Türschlüssel und sagt, dass sie ihn wie üblich in den Briefkasten des Antiquitätengeschäfts werfen soll, wenn sie fertig ist.
Flora bedankt sich und eilt den Bürgersteig hinab. Die Nähte ihres alten Mantels gehen allmählich auf. Sie ist vierzig Jahre alt, und ihr mädchenhaftes Gesicht strahlt Einsamkeit aus. Der erste Häuserblock der Upplandsgatan unterhalb des Odenplans beherbergt zahlreiche Antiquitäten- und Kuriositätengeschäfte. In den Schaufenstern schimmern Kronleuchter und Vitrinen, altes, bunt lackiertes Blechspielzeug, Porzellanpuppen, Medaillen und Pendeluhren.
Neben der vergitterten Glastür zu Antiquitäten Carlén gibt es eine schmalere Tür, die ins Souterrain führt. Auf die undurchsichtige Glasscheibe klebt Flora ein Schild aus weißer Pappe.
SPIRITISTISCHER ABEND
Eine steile Treppe führt zu dem Kellerraum hinab, in dem es jedes Mal in den Rohren rauscht, wenn jemand abzieht oder Wasser laufen lässt. Flora hat den Raum bisher sieben Mal gemietet, um darin Séancen abzuhalten. Es sind jeweils zwischen vier und sechs Teilnehmer gekommen, wodurch allerdings nur die Miete gedeckt werden konnte. Sie hat eine Reihe von Zeitungen kontaktiert, um das Interesse der Presse dafür zu wecken, über ihre Gabe zu schreiben, mit den Toten sprechen zu können, aber die Zeitungen haben nicht reagiert. Vor der heutigen Séance hat sie eine größere Anzeige in der esoterischen Zeitschrift Phänomen aufgegeben.
Flora bleiben nur wenige Minuten, bis die Teilnehmer eintreffen, aber sie weiß, was sie zu tun hat. Schnell rückt sie die Möbel zur Seite und stellt anschließend zwölf Stühle in einem Kreis auf.
Auf den Tisch in der Mitte legt sie die beiden Puppenhausfiguren in ihren Kleidern aus dem neunzehnten Jahrhundert.
Sie erhofft sich, dass die beiden ihr helfen werden, ein Gefühl von Vergangenheit heraufzubeschwören. Direkt nach der Séance verbirgt sie die Puppen wieder in einem Eichenschrank, weil sie die Spielfiguren im Grunde nicht mag.
In einem Ring rund um die Puppen stellt sie zwölf Teelichte auf den Tisch. Mit einem Streichholz presst sie ein wenig Strontiumsalz in den Wachs einer Kerze und verdeckt anschließend das Loch.
Dann geht sie rasch zum Schrank, um den alten Wecker zu stellen. Das hat sie vor vier Abenden zum ersten Mal ausprobiert. Der Klöppel fehlt, so dass man lediglich ein hackendes Geräusch im Schrank hört, wenn er klingelt. Doch bevor sie dazu kommt, ihn aufzuziehen, öffnet sich die Tür zur Straße. Die ersten Teilnehmer sind da. Regenschirme werden ausgeschüttelt, und sie hört Schritte auf der Treppe.
Flora begegnet in dem quadratischen Wandspiegel ungewollt ihrem eigenen Blick. Sie hält inne, atmet tief durch und streicht mit einer Hand über das graue Kleid, das sie bei der Heilsarmee gekauft hat.
Sobald sie ein wenig lächelt, wirkt sie ruhiger.
Sie zündet Räucherstäbchen an und begrüßt zurückhaltend Dina und Asker Sibelius. Die beiden hängen ihre Mäntel auf und unterhalten sich mit gedämpften Stimmen.
An ihren Séancen nehmen fast ausschließlich alte Menschen teil, die wissen, dass ihr Tod
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