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Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition)

Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Kepler
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nicht mehr fern ist. Es sind Leute, dieihre Verluste nicht ertragen und es nicht akzeptieren können, dass der Tod das endgültige Aus bedeuten wird.
    Wieder wird die Tür zur Straße geöffnet, und ein älteres Paar kommt die Treppe herab, das Flora noch nicht kennt.
    »Herzlich willkommen«, begrüßt sie die beiden leise.
    Sie will sich gerade abwenden, als sie innehält und den Mann betrachtet, als wäre ihr an ihm etwas Besonderes aufgefallen, um danach so zu tun, als würde sie dieses Gefühl abschütteln. Schließlich bittet sie das Paar einfach, Platz zu nehmen.
    Nochmals öffnet sich die Tür, und neue Gäste treffen ein.
    Zehn Minuten nach sieben muss sie akzeptieren, dass keine weiteren Teilnehmer mehr kommen werden. Mit neun Gästen ist es immerhin der bestbesuchte Abend bislang, aber es kommen immer noch zu wenige Leute, um Ewa das Geld zurückerstatten zu können, das sie sich heimlich von ihr geliehen hat.
    Flora versucht, ruhig zu atmen, spürt jedoch, dass ihre Beine zittern, als sie in den großen, fensterlosen Raum zurückkehrt. Die Teilnehmer sitzen bereits in einem Kreis versammelt. Ihre Gespräche verstummen, und die Blicke aller sind auf sie gerichtet.

35
    FLORA HANSEN zündet die Teelichte auf dem Tablett an und lässt den Blick über die Gäste schweifen, als sie sich auf ihren Stuhl setzt. Fünf von ihnen sind schon mehrmals da gewesen, die anderen sind dagegen neu. Ihr gegenüber sitzt ein Mann von vielleicht dreißig Jahren. Er hat ein offenes und auf jungenhafte Art hübsches Gesicht.
    »Herzlich willkommen … bei mir«, sagt sie und schluckt hart. »Ich denke, wir fangen sofort an …«
    »Ja«, erwidert der greise Asker mit knarrender, freundlicher Stimme.
    »Gebt euch die Hände und schließt den Kreis«, fordert Flora die anderen mit warmer Stimme auf. Der junge Mann sieht sie unverwandt an. Er lächelt, seine Augen sind neugierig. Ein Gefühl von Anspannung und freudiger Erwartung regt sich in Floras Bauch.
    Die einkehrende Stille ist dunkel und mächtig, zehn Menschen bilden einen Zirkel und sind in dem Gefühl vereint, dass sich hinter ihren Rücken die Toten versammeln.
    »Haltet den Kreis geschlossen«, ermahnt sie die Gruppe streng. »Was immer geschehen mag, brecht nie den Kreis. Sonst könnte es passieren, dass unsere Besucher nicht mehr zur anderen Seite zurückfinden.«
    Die meisten ihrer Gäste sind so alt, dass sie weitaus mehr Menschen an den Tod verloren haben, als ihnen im Leben geblieben sind. Für sie ist der Tod ein Ort voller vertrauter Gesichter.
    »Ihr dürft nie nach dem Datum eures eigenen Todes fragen«, erläutert Flora. »Und ihr dürft niemals nach dem Teufel fragen.«
    »Warum darf man das nicht?«, fragt der junge Mann lächelnd.
    »Nicht alle Geister sind gut, und der Kreis ist nur ein Tor zur anderen Seite …«
    Die dunklen Augen des jungen Mannes leuchten.
    »Dämonen?«, fragt er.
    »Das glaube ich nicht«, wirft Dina Sibelius besorgt lächelnd ein.
    »Ich versuche, das Tor zu bewachen«, sagt Flora ernst. »Aber sie … sie spüren unsere Wärme, sehen die Kerzen brennen.«
    Es wird wieder still. In den Rohren rauscht es. Ein eigentümliches, erregtes Brummen, wie von einer Fliege, die in einem Spinnennetz festsitzt, ertönt.
    »Seid ihr bereit?«, fragt sie langsam.
    Die Teilnehmer murmeln bejahend, und Flora spürt einen genüsslichen Schauer, als sie merkt, dass in dem Raum eine völlig neue Aufmerksamkeit herrscht. Es kommt ihr vor, als würde sie die Herzen der anderen hören, die pochenden Pulsschläge in dem Kreis spüren.
    »Ich versetze mich jetzt in Trance.«
    Flora hält die Luft an und drückt die Hände von Asker Sibelius und der neuen Frau. Sie schließt ihre Augen ganz fest, wartet, solange sie kann, kämpft gegen den Impuls an zu atmen, bis sie anfängt zu zittern und saugt dann Luft in ihre Lunge.
    »Wir haben so viele Besucher von der anderen Seite«, erklärt Flora nach kurzer Zeit.
    Die regelmäßigen Teilnehmer murmeln bestätigend.
    Flora spürt, dass der junge Mann sie ansieht, sie fühlt seinen wachen, interessierten Blick auf ihren Wangen, ihren Haaren, ihrem Hals.
    Sie senkt den Kopf und denkt, dass sie mit Violet anfangen wird, um den jungen Mann zu überzeugen. Flora kennt die Geschichte der Frau, hat sie bisher jedoch auf die Folter gespannt.Violet Larsen ist ein furchtbar einsamer Mensch. Fünfzig Jahre zuvor verlor sie ihren einzigen Sohn. Eines Abends erkrankte der Junge an einer viralen Hirnhautentzündung,

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