Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition)
und trägt eine dunkelblaue Jeans und ein weißes T-Shirt. Er verbirgt etwas hinter seinem Rücken und bewegt sich langsam nach rechts, Richtung Bett.
»Ich bin von der Landeskriminalpolizei«, sagt Joona und senkt die Pistole ein wenig.
»Das ist mein Haus«, entgegnet der Mann gedämpft.
»Sie hätten uns aufmachen sollen.«
Joona sieht, dass Schweißtropfen die Wangen des Mannes herablaufen.
»Haben Sie meine Hintertür kaputtgemacht?«, fragt der Mann.
»Ja.«
»Kann man sie reparieren?«
»Das bezweifle ich«, antwortet Joona.
In der Schiebetür aus rauchgetöntem Spiegelglas blitzt etwas auf. Joona sieht, dass der Mann hinter seinem Rücken ein großes Küchenmesser verbirgt.
»Ich müsste mal einen Blick in Ihre Garage werfen«, sagt Joona ruhig.
»Da steht mein Auto.«
»Legen Sie das Messer auf das Bett, und zeigen Sie mir die Garage.«
Der Mann hält das Messer hoch und wirft selber einen Blickdarauf. Der lackierte Holzschaft ist abgewetzt und die Klinge viele Male geschliffen worden.
»Ich habe keine Zeit zu warten«, sagt Joona.
»Sie hätten meine Tür nicht kaputtmachen …«
Plötzlich erahnt Joona hinter sich eine Bewegung. Nackte Füße klatschen über den Fußboden. Er kommt nur noch dazu, sich etwas zur Seite zu bewegen, ohne das Messer aus den Augen zu lassen. Ein Schatten stürzt auf seinen Rücken zu. Joona dreht den Körper, hebt den Arm, setzt diese Bewegung kraftvoller fort und begegnet der heranstürmenden Gestalt mit dem Ellbogen.
Joona richtet die Mündung seiner Pistole auf den Mann mit dem Messer und trifft gleichzeitig mit dem Ellbogen den Brustkorb eines Jungen, der aufstöhnt und dem die Luft wegbleibt. Er versucht, sich irgendwo abzustützen, ehe er auf die Knie fällt.
Der Junge holt tief Luft, kauert sich auf dem Boden zusammen, zerknüllt dabei den Flickenteppich unter sich und bleibt keuchend auf der Seite liegen.
»Sie sind aus Afghanistan«, erklärt der Mann leise. »Sie brauchen Hilfe und …«
»Wenn Sie jetzt nicht endlich dieses Messer weglegen, schieße ich Ihnen ins Bein«, sagt Joona.
Der Mann betrachtet erneut das Messer und wirft es aufs Bett. Plötzlich tauchen zwei kleinere Kinder im Türrahmen auf. Sie starren Joona mit großen Augen an.
»Sie verstecken Flüchtlinge?«, fragt Joona. »Wie viel verdienen Sie daran?«
»Sie denken, dass ich dafür Geld nehme?«, entgegnet der Mann gekränkt.
»Tun Sie das?«
»Nein, das tue ich nicht.«
Joona begegnet dem finsteren Blick des Jungen.
»Do you pay him?«, fragt er.
Der Junge schüttelt den Kopf.
»Kein Mensch ist illegal«, sagt der Mann.
»You don’t have to be afraid«, sagt Joona zu dem großen Jungen. »I promise I will help you if you are abused in any way.«
Der Junge sieht Joona lange in die Augen und schüttelt dann den Kopf.
»Dennis is a good man«, flüstert er.
»Das freut mich«, sagt Joona, begegnet dem Blick des Mannes und verlässt den Raum.
Joona geht die Treppe hinunter und zur Garage. Dort bleibt er eine Weile stehen und betrachtet den alten, staubigen Saab und denkt, dass Vicky und Dante verschwunden sind und sie nicht die geringste Ahnung haben, wo sie noch nach den beiden suchen sollen.
33
FLORA HANSEN putzt den abgetretenen PVC-Fußboden im Wohnungsflur. Ihre linke Wange brennt noch immer von der Ohrfeige, und in ihrem Ohr rauscht es eigenartig. Der Glanz des Fußbodens hat sich im Laufe der Jahre abgenutzt, aber das Wasser lässt die trockene Spur in der Mitte für kurze Zeit von Neuem schimmern.
Ein milder Duft von Putzmitteln verbreitet sich in den Räumen.
Flora hat alle Teppiche geklopft und bereits das Wohnzimmer, die enge Küche und Hans-Gunnars Zimmer geputzt, wartet mit Ewas Schlafzimmer aber noch, bis im Fernsehen die Serie Auf der Sonnenseite beginnt.
Ewa und Hans-Gunnar lieben die Serie und würden niemals eine Folge verpassen.
Flora wischt mit kräftigen Bewegungen den Boden, das graue Gewebe des Aufnehmers klatscht gegen die Fußleisten. Sie bewegt sich rückwärts und stößt versehentlich an das alte Bild, das sie vor mehr als dreißig Jahren gebastelt hat, als sie noch in den Kindergarten ging. Alle Kinder durften verschiedene Nudelsorten auf eine Holzplatte kleben, anschließend wurde das Bild dann mit Goldfarbe besprüht.
Die Titelmelodie der Fernsehserie ertönt.
Jetzt ist ihre Chance gekommen.
Als Flora den schweren Eimer am Griff anhebt und in Ewas Zimmer trägt, fährt ein stechender Schmerz durch ihren Rücken.
Sie schließt
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