Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition)
müssen Sie ihn nach Dennis fragen«, ruft Joona den beiden hinterher. »Fragen Sie Daniel, ob er weiß, wer Dennis ist, und fragen Sie vor allem, wohin Vicky verschwunden sein könnte. Wir brauchen einen Namen oder einen Ort. Daniel ist der Einzige, mit dem Vicky gesprochen hat, und er …«
»Fahren Sie nach Hause«, sagt Gunnarsson lachend, winkt ihm über die Schulter hinweg zu und verlässt das Gebäude.
41
DER THERAPEUT DANIEL GRIM arbeitet seit elf Jahren halbtags mit den Jugendlichen im Haus Birgitta. Er folgt den Mustern der Kognitiven Verhaltenstherapie und des Aggression Replacement Training und führt mindestens einmal in der Woche Einzelgespräche mit den Mädchen.
Daniels Ehefrau Elisabeth war Krankenschwester und hatte Nachtschicht, und er war davon ausgegangen, dass sie das unter einem schweren Schock stehende Mädchen Nina Molander ins Regionalkrankenhaus begleitet hatte.
Als Daniel Grim begriff, dass Elisabeth tot in der Waschküche lag, brach er zusammen. Er sprach verwirrt über Elisabeths Herzerkrankung, aber als schließlich zu ihm durchdrang, dass sie auf Grund von äußerer Gewalteinwirkung gestorben war, wurde er vollkommen still. Seine Arme bekamen eine Gänsehaut, und Schweiß lief seine Wangen herab, er atmete schnell und sagte kein Wort, als er auf einer Trage in den Krankenwagen gehoben wurde.
Kommissar Gunnarsson hat bereits eine neue Zigarette herausgefischt, als er auf Station 52A der Psychiatrischen Abteilung im Regionalkrankenhaus Westliches Norrland aus dem Aufzug tritt.
Ein junger Mann in einem aufgeknöpften Arztkittel kommt ihm entgegen. Die beiden geben sich die Hand, und Gunnarsson begleitet den Arzt durch einen Korridor mit hellgrauen Wänden.
»Wie ich Ihnen bereits am Telefon mitgeteilt habe, glaube ich nicht, dass ein Verhör zu einem so frühen Zeitpunkt sinnvoll ist …«
»Sicher, aber ich will ja auch nur ein bisschen mit ihm plaudern.«
Der Arzt bleibt abrupt stehen und sieht Gunnarsson eine Weile an, ehe er erläutert:
»Daniel Grim befindet sich in einer Art Stressreaktion, die wir Arousal nennen. Es wird vom Hypothalamus und dem limbischen System ausgelöst und …«
»Das ist mir alles scheißegal«, unterbricht Gunnarsson ihn. »Dagegen muss ich unbedingt wissen, ob Sie ihn vielleicht mit einem Haufen Medikamente vollgepumpt haben, und er womöglich völlig weggetreten ist.«
»Nein, er ist nicht weggetreten, aber ich würde es nicht erlauben, dass Sie ihn sehen, wenn ich nicht …«
»Es geht um einen Doppelmord, der …«
»Sie wissen sehr genau, wer hier das Sagen hat«, unterbricht der Arzt ihn ruhig. »Wenn ich der Meinung bin, dass ein Gespräch mit der Polizei die Rehabilitierung des Patienten negativ beeinflussen könnte, werden Sie sich schlicht und ergreifend in Geduld üben müssen.«
»Ich verstehe«, sagt Gunnarsson in einem bemüht ruhigeren Ton.
»Da der Patient jedoch selbst mehrfach wiederholt hat, dass er der Polizei helfen möchte, habe ich beschlossen, Ihnen zu erlauben, ihm einige wenige Fragen in meiner Anwesenheit zu stellen.«
»Ich bin Ihnen sehr verbunden«, erwidert Gunnarsson lächelnd.
Sie gehen weiter durch den Korridor, biegen um eine Ecke, passieren eine Reihe von Fenstern zu einem Innenhof mit Dachgauben und Belüftungsschächten, ehe der Arzt eine Tür zu einem Patientenzimmer öffnet.
Laken und Decke liegen auf der kleinen Couch, aber Daniel Grim sitzt auf dem Fußboden unterhalb des Fensters und lehnt mit dem Rücken am Heizkörper. Sein Gesicht ist eigenartig entspannt, und als sie eintreten, blickt er nicht auf.
Gunnarsson zieht einen Stuhl heran und setzt sich vor Daniel Grim. Unmittelbar darauf flucht er kurz und geht vor dem trauernden Mann in die Hocke.
»Ich muss mit Ihnen reden«, sagt er. »Wir müssen Vicky Bennet finden … wir verdächtigen sie der Morde im Haus Birgitta und …«
»Aber ich …«
Gunnarsson verstummt abrupt, als Daniel etwas flüstert und wartet darauf, dass er weiterspricht.
»Ich habe Sie nicht verstanden«, sagt er.
Der Arzt steht schweigend daneben und beobachtet die beiden.
»Ich glaube nicht, dass sie es war«, flüstert Daniel Grimm. »Sie ist doch so lieb und so …«
Er wischt Tränen von den Wangen und unter seiner Brille fort.
»Ich weiß natürlich, dass Sie der Schweigepflicht unterliegen«, erklärt Gunnarsson. »Aber haben Sie in irgendeiner Form die Möglichkeit, uns zu helfen, Vicky Bennet zu finden?«
»Ich werde es versuchen«, murmelt
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