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Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition)

Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Kepler
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zum Bett und bis zum Fenster. Als er die Folie vom Boden abnimmt, sieht man das schwache Muster eines Turnschuhs auf der gelben Gelatineschicht.
    »Ich muss bald los«, sagt Joona.
    »Sie wollen, dass ich als Erstes unter dem Bett nachsehe?«
    Holger Jalmert schüttelt angesichts von Joonas Ungeduld den Kopf, breitet dann jedoch auf dem Fußboden neben dem Bett gewissenhaft Plastikschutzfolie aus. Er geht auf die Knie, streckt sich, um unter das Bett zu greifen, und bekommt den Zipfel eines Bündels zu fassen.
    »Und ob das eine Decke ist.«
    Vorsichtig zieht er die schwere Decke auf das Plastik hinaus. Sie ist zusammengeknüllt und blutdurchtränkt.
    »Ich glaube, dass Miranda sich die Decke um die Schultern gelegt hatte, als sie ermordet wurde«, sagt Joona leise.
    Holger schlägt sie in die Plastikfolie ein und stülpt einen Sackdarüber. Joona sieht auf die Uhr. Er kann noch zehn Minuten bleiben. Holger nimmt laufend neue Proben. Er benutzt feuchte sterile Stäbchen für eingetrocknete Blutflecken und Krusten und lässt sie erst einen Moment trocknen, ehe er sie verpackt.
    »Wenn Sie auf etwas stoßen, was auf einen bestimmten Ort oder eine bestimmte Person hindeutet, müssen Sie mich sofort anrufen«, sagt Joona.
    »Das ist mir bewusst.«
    Rund um den Hammer unter dem Kissen verwendet der pedantische Professor einhundertzwanzig Stäbchen, die er einzeln verpackt und markiert. Einzelne Haare und Textilfasern klebt er auf OH-Film, Haarbüschel werden in zusammengefaltetes Papier gepackt, Gewebe und Schädelfragmente in Röhrchen gelegt, die anschließend gekühlt werden, um ein bakterielles Wachstum zu verhindern.

38
    DER TAGUNGSRAUM DES HOTEL IBIS ist besetzt, und Joona wartet im Frühstückssaal, während die Staatsanwältin mit dem ängstlichen Personal über ein anderes Vernehmungszimmer verhandelt. Unter der Decke hängt an einer Metallhalterung ein leuchtender Fernseher, der ein blinkendes Licht aussendet.
    Joona wählt Anjas Nummer. Sein Anruf wird auf ihre Handy-Mailbox weitergeleitet, und er bittet sie herauszufinden, ob es in Sundsvall einen guten Gerichtsmediziner gibt.
    In den Fernsehnachrichten laufen die ersten Berichte über die Morde im Haus Birgitta und die neuesten dramatischen Entwicklungen. Man zeigt Bilder von den Absperrungen der Polizei, die roten Häuser und das Schild mit der Aufschrift Wohneinrichtung für Jugendliche . Der Fluchtweg der Tatverdächtigen ist auf einer Karte eingezeichnet, und ein Reporter steht mitten auf der Landstraße 86 und berichtet von der Kindesentführung und den vergeblichen Straßensperren der Polizei.
    Joona steht auf und geht zum Fernseher, als eine Stimme mitteilt, dass die Mutter des gekidnappten Jungen darum gebeten hat, live an die Entführerin appellieren zu dürfen.
    Plötzlich taucht Pia Abrahamsson im Bild auf. Sie sitzt mit gequälter Miene an einem Küchentisch und hält einen Zettel in der Hand.
    »Falls Sie mich hören sollten«, setzt sie an. »Ich verstehe ja, dass Sie ungerecht behandelt worden sind, aber Dante hat damit nichts zu tun …«
    Pia blickt direkt in die Kamera.
    »Sie müssen ihn mir zurückgeben«, flüstert sie mit zitterndem Kinn. »Sie sind sicher sehr lieb und nett zu ihm, aber Dante ist doch erst vier, und ich weiß, welche Angst er hat … er ist so …«
    Sie schaut auf ihren Zettel, Tränen laufen ihre Wangen herab.
    »Sie dürfen nicht böse zu ihm sein, Sie dürfen meinen kleinen Jungen nicht schlagen …«
    Sie beginnt heftig klagend zu weinen und wendet das Gesicht ab, ehe ins Stockholmer Fernsehstudio zurückgegeben wird.
    Ein Gerichtspsychiater vom Krankenhaus Säter sitzt an einem hohen Tisch und versucht, dem Moderator der Nachrichtensendung zu erklären, wie gefährlich die Situation im Augenblick ist:
    »Mir liegen die Krankenblätter des Mädchens nicht vor, und ich möchte auch gar nicht darüber spekulieren, ob sie die beiden Morde begangen hat oder nicht, aber wenn man bedenkt, dass sie sich in einer solchen Einrichtung aufhielt, erscheint es mir durchaus denkbar, dass sie psychisch ausgesprochen labil ist und auch wenn …«
    »Aber welche Risiken gibt es?«, fragt der Moderator.
    »Es könnte sein, dass ihr der Junge völlig egal ist«, erläutert der Psychiater. »Unter Umständen vergisst sie ihn phasenweise ganz … Aber er ist erst vier, und wenn er beispielsweise plötzlich weint oder nach seiner Mama ruft, könnte sie selbstverständlich in Wut geraten und zu einer Gefahr für den Jungen

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