Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition)
ihren Arm und meinte, dass es vielleicht tatsächlich eine gute Idee sei, die Wunde zu verarzten. Sie ging in ihr Büro, wobei sie eine Blutspur hinterließ.
Dann setzte sie sich an den Computer, suchte nach der Nummer der Landeskriminalpolizei, rief die Zentrale an und bat darum, mit dem Beamten verbunden zu werden, der die Ermittlungen in den Mordfällen im Haus Birgitta leitete. Eine Frau verband sie weiter, und sie wiederholte ihre Frage, hörte ein langsames Luftholen und dass jemand an einem Computer tippte, seufzte und noch etwas schrieb.
»Die Ermittlungen unterstehen der Staatsanwaltschaft in Sundsvall«, erläuterte ein Mann mit einer hellen Stimme.
»Gibt es keine Polizisten, mit denen ich sprechen könnte?«
»Die Staatsanwaltschaft arbeitet mit der Polizei des Westlichen Norrlands zusammen.«
»Mich hat ein Kommissar der Landeskriminalpolizei aufgesucht, ein großer Mann mit grauen Augen und …«
»Joona Linna …«
»Ja.«
Elin griff nach einem Stift und notierte sich die Durchwahl auf dem Umschlag eines Hochglanzmodemagazins, bedankte sich und beendete das Gespräch.
Anschließend wählte sie schnell die Nummer des Kommissars, erfuhr jedoch lediglich, dass er auf Dienstreise war und erst am nächsten Tag zurückerwartet wurde.
Elin wollte gerade die Staatsanwaltschaft in Sundsvall anrufen, als ihr Arzt eintraf. Er stellte keine Fragen, und Elin saß schweigend da, als er ihre Wunden säuberte. Sie betrachtete das Telefon, das auf der Augustnummer der britischen Vogue lag. Zwischen den Brüsten Gwyneth Paltrows stand die Nummer Joona Linnas.
Als die Wunden versorgt waren und sie in den Salon zurückkehrte, hatte die Reinigungsfirma bereits sämtliche Scherben entfernt und den Fußboden gesäubert. Den Vitrinenschrank hatte man hinausgetragen, und Robert Bianchi hatte sich darum gekümmert, dass der zerbrochene Seder-Teller in die Obhut eines Konservators des Mittelmeermuseums gelangte.
82
ELIN FRANK LÄCHELT NIEMANDEN AN , als sie langsam den Flur hinuntergeht, der zu Joona Linnas Büro im Polizeipräsidium führt. Sie trägt eine schwarze Sonnenbrille, um ihre verweinten Augen zu verbergen. Der graphitgraue Trenchcoat von Burberry ist aufgeknöpft, und sie hat einen silberfarbenen Seidenschal um ihre Haare geschlungen. Die tiefen Schnitte an den Handgelenken schmerzen und pochen unablässig.
Ihre Absätze klackern über den zerkratzten Boden des Korridors. Ein Poster mit der Aufschrift »Wenn Du denkst, dass Du nichts wert bist, und blaue Flecken zu deinem Alltag gehören, solltest Du zu uns kommen« flattert, als sie vorübergeht. Einige Männer in dunkelblauen Polizeisweatern sind auf dem Weg zu den Räumen der Bereitschaftspolizei. Eine mollige Frau in einem orangen Angorajumper und einem engen schwarzen Rock tritt aus einem Büro und erwartet sie, die Hände hat sie in die Seiten gestemmt.
»Ich heiße Anja Larsson«, sagt die Frau.
Elin versucht zu sagen, dass sie mit Joona Linna sprechen möchte, aber ihre Stimme versagt. Die vollschlanke Frau lächelt sie an und sagt, dass sie Elin zu dem Kommissar bringen wird.
»Entschuldigen Sie«, sagt Elin leise.
»Das macht doch nichts«, erwidert Anja und begleitet sie zu Joonas Tür, klopft an und öffnet sie.
»Danke für den Tee«, sagt Joona und zieht für Elin einen Stuhl heran.
Sie lässt sich schwer auf den Stuhl fallen, und Anja und Joona werfen sich einen kurzen Blick zu.
»Ich hole Wasser«, sagt Anja und geht.
Es wird still im Raum. Elin versucht, sich so weit zu beruhigen, dass sie sprechen kann. Sie wartet kurz und sagt dann:
»Ich weiß, dass es zu spät ist, und ich weiß, dass ich Ihnen nicht geholfen habe, als Sie zu mir gekommen sind und … und ich kann mir vorstellen, was Sie von mir halten, und …«
Sie weiß nicht mehr weiter, ihre Mundwinkel senken sich, und Tränen schießen in ihre Augen und laufen hinter der Sonnenbrille die Wangen herab. Anja kehrt mit einem Glas Wasser und einer Rispe feuchter Weintrauben auf einem Dessertteller zurück und verlässt anschließend erneut den Raum.
»Ich möchte über Vicky Bennet sprechen«, sagt Elin mit gefasster Stimme.
»Dann höre ich Ihnen gerne zu«, erwidert Joona freundlich.
»Sie war sechs, als sie zu mir kam und ich hatte … ich hatte sie neun Monate …«
»Das weiß ich«, sagt er.
»Aber was Sie nicht wissen, ist, dass ich sie … im Stich gelassen habe, wie man keinen Menschen im Stich lassen soll.«
»Manchmal tut man das«, erklärt
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