Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition)
Joona Linna.
Sie setzt mit zitternden Händen ihre Sonnenbrille ab und mustert nachdenklich den Kommissar ihr gegenüber, seine struppigen blonden Haare, das ernste Gesicht und die grauen, eigentümlich changierenden Augen.
»Ich kann mich selbst nicht mehr ausstehen«, sagt sie. »Aber ich … ich möchte Ihnen einen Vorschlag machen … ich bin bereit, alle Kosten zu übernehmen … damit Sie die Leichen finden … und die Ermittlungen ohne Einschränkungen weitergeführt werden.«
»Warum sollten Sie das tun wollen?«, fragt er.
»Auch wenn ich nichts wiedergutmachen kann, so kann ich doch … Ich meine, was ist denn, wenn sie unschuldig war?«
»Es gibt nichts, was darauf hindeuten würde.«
»Mag sein, aber ich kann einfach nicht glauben, dass …«
Elin verstummt, und ihre Augen füllen sich ein zweites Mal mit Tränen, die die Welt verschwimmen lassen.
»Weil sie ein süßes und liebes Kind war?«
»Das war sie die meiste Zeit nicht einmal«, antwortet Elin lächelnd.
»Das habe ich mir fast gedacht.«
»Werden Sie die Ermittlungen weiterführen, wenn ich bezahle?«
»Wir können kein Geld von Ihnen annehmen, um …«
»Ich bin mir sicher, dass sich das juristisch irgendwie lösen lässt.«
»Schon möglich, aber das würde in der Sache nichts ändern«, erläutert Joona sanft. »Die Staatsanwältin ist dabei, die Ermittlungen einzustellen …«
»Was soll ich nur tun?«, flüstert Elin verwirrt.
»Ich sollte Ihnen das eigentlich wohl nicht sagen, aber ich werde weitermachen, weil ich mir sicher bin, dass Vicky noch lebt.«
»Aber in den Nachrichten haben sie doch gesagt …«, widerspricht Elin leise, steht auf und legt eine Hand auf ihren Mund.
»Der Wagen wurde in vier Metern Tiefe gefunden, und man hat Blut und Haare im Rahmen der zersplitterten Windschutzscheibe gefunden«, sagt er.
»Aber Sie glauben nicht, dass die beiden tot sind?«, fragt sie und wischt sich hastig die Tränen von den Wangen.
»Ich weiß, dass sie nicht im Fluss ertrunken sind«, antwortet er.
»Großer Gott«, flüstert Elin.
83
ELIN SETZT SICH WIEDER HIN und weint mit abgewandtem Gesicht. Joona lässt ihr Zeit, geht zum Fenster und blickt hinaus. Es nieselt, und die Bäume im Park schwanken im Wind an diesem Nachmittag.
»Haben Sie eine Ahnung, wo sie sich verstecken könnte?«, fragt er nach einer Weile.
»Ihre Mutter schlief immer in irgendwelchen Garagen … ich bin Susie mal begegnet, als sie sich probehalber für ein Wochenende um Vicky kümmern sollte … damals hatte man ihr eine Wohnung in Hallonbergen vermittelt, aber die Sache ging schief, sie schliefen in der U-Bahn, und Vicky wurde ganz allein im Tunnel zwischen den Haltestellen Slussen und Mariatorget aufgegriffen.«
»Es könnte schwierig werden, sie zu finden«, sagt Joona.
»Ich habe Vicky ja seit acht Jahren nicht mehr gesehen, aber das Personal im Haus Birgitta … die Leute, die mit ihr gesprochen haben, die müssen doch irgendetwas wissen«, sagt Elin.
»Das ist richtig«, bestätigt Joona und verstummt anschließend.
»Aber?«
Er begegnet ihrem Blick:
»Die Einzigen, mit denen Vicky dort sprach, waren die ermordete Krankenschwester … und ihr Mann, der dort als Therapeut arbeitet. Er müsste eigentlich eine Menge über sie wissen … oder doch zumindest etwas, aber ihm geht es psychisch sehr schlecht, und sein Arzt lässt die Polizei nicht zu ihm. Da ist nichts zu machen, der Arzt glaubt, dass eine polizeiliche Vernehmung seine Genesung gefährden könnte.«
»Aber ich bin keine Polizistin«, sagt Elin. »Ich könnte mit ihm sprechen.« Sie begegnet Joonas Blick, und ihr wird klar, dass er genau das von ihr hören wollte.
Im Aufzug nach unten spürt sie die schwere Müdigkeit wie unter Drogen, die sich nach langem Weinen einstellt. Sie denkt an die Stimme des Kommissars, den sanften, finnischen Akzent. Seine grauen Augen waren schön und zugleich seltsam scharf.
Die untersetzte Frau, seine Mitarbeiterin, hatte das Regionalkrankenhaus in Sundsvall angerufen und ermittelt, dass der Therapeut Daniel Grim in die psychiatrische Abteilung verlegt worden ist, der behandelnde Arzt jedoch während der gesamten Genesungszeit ein ausdrückliches Besuchs- und Kontaktverbot für die Polizei erwirkt hat.
Elin verlässt das Gebäude des Landeskriminalamts, überquert die Straße, setzt sich in ihren BMW und wählt die Nummer des Krankenhauses in Sundsvall. Sie wird mit Station 52 B verbunden und erfährt, dass Daniel
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