Flammenopfer
sehnsüchtig wie die Pflanzen auf eine Abkühlung.
Der Wind bog die Pappeln und wühlte in den Kastanien und in den Gardinen der Wohnungen gegenüber, immer wieder ließ er Türen und Fenster zuschlagen, und irgendwo meinte Sternenberg ein Klirren zu hören.
Schwere Tropfen klatschten neben ihm auf den Boden. Eine der Elstern stürzte sich in den Hinterhof.
Keine zwei Minuten später trockneten die Wasserflecken, und die Böen ließen nach. Die Luft war noch immer warm und milchig und wie ein Block.
Die Feuerwehr in der Oderberger Straße legte ihre Schläu che an die jungen Bäume und wässerte sie länger als zulässig.
Im Büro rührten die Tischventilatoren nutzlos in der Luft herum. Sternenberg wünschte sich eine amerikanische Ausstattung mit Klimaanlagen.
Von Petra Masalia und von Wolfgang Lichtenberg war in diesen Tagen nichts zu hören und zu sehen. Tarek brachte jetzt schon morgens Eis am Stil für die klein gewordene Schar mit. Von Dr. Traube sei nichts Neues zu berichten, erklärte er mehrfach, jedenfalls sei der nicht mehr zu einem der ehemaligen Tatorte gegangen. Es brannte allerdings auch nirgends mehr.
Am Savignyplatz hatte ein neues Café eröffnet, das Jane Birkin. Tarek berichtete, dass es dort eine Klimaanlage gebe, und schlug vor, die morgendliche Besprechung mit Kai und Isabel dorthin zu verlegen.
Die Bedienung saß an der Theke über ein Französischlexikon gebeugt und ignorierte die Gäste. Plötzlich nahm die junge Frau einen Zug von ihrer Zigarette und machte sich doch noch mit einem Seufzer vom Hocker herunter, quälte sich zum Tisch am Fenster, richtete aber zunächst die Speisekarten auf den Nachbartischen aus. Im Bauchnabel trug sie ein Piercing, und Kai Sternenberg fand, dass es ein hübscher, braungebrannter Bauch war.
» Wir haben eigentlich noch nicht geöffnet.«
» Wir sind eigentlich auch noch nicht hier«, sagte Tarek. Er hatte Augenringe und holte einen Papierstapel nach dem anderen aus seiner Tasche. Sternenberg konnte sich nicht erinnern, ihn so abgearbeitet gesehen zu haben.
» Was soll ich euch bringen?«
» Vielleicht eine der Speisekarten?« Tarek schaute in die Tasche, während er mit der Frau sprach, und sie setzte sich noch nicht in Bewegung. Dann blickte er auf und sah sie an. Sternenberg fürchtete, Tarek würde losbrüllen. » Die Karte bitte«, sagte Tarek in honigsüßem Ton und mit Zahnpastawerbungslächeln, das sofort erstarb.
Die Frau drehte den Oberkörper zum Nebentisch, langte nach einer der dort liegenden Karten und reichte sie Tarek. Die beiden anderen bekamen nichts, die Frau wartete.
Sternenberg hatte keine Lust auf Kampf und bestellte einen schwarzen Kaffee und ein großes Mineralwasser. Isabel wählte einen Caffè Latte. Tarek versenkte sich in die Karte.
Die Bedienung stellte sich an die Theke, nahm einen Zug von der Zigarette und klemmte sie anschließend sorgfältig in den Aschenbecherrand. Dann sortierte sie Karteikarten und legte sie neben das Lexikon. Von dort aus rief sie, als Tarek die Karte beiseitelegte: » Und? Haben wir uns entschieden?«
» Kaffee«, blaffte Tarek und wandte sich im selben Atemzug an seine Kollegen. » Folgendes habe ich herausbekommen: Die Zahl der Brandstiftungen in Wohnungen oder Häusern von Leuten, die mit Immobilien zu tun haben, ist in Berlin überdurchschnittlich. Kein Vergleich zu den anderen Bundesländern.«
» Und die Großstädte?«, fragte Isabel.
» Schwer zu sagen. Die liegen in absoluten Zahlen sowieso vorn, weil da die meisten Immobiliengeschäfte laufen. Und weil es dort die meisten Dachgeschosswohnungen gibt – auf die habe ich mich konzentriert. In Hamburg gibt es erheblich mehr Fälle als in München. Wollt ihr die genauen Prozente? Ich hab sie hier.«
» Lass mal«, sagte Sternenberg. » Welche Gemeinsamkeiten gibt es bei den Immobilienleuten?«
» Ich habe die Brandstiftungen der letzten zwölf Jahre dazugenommen. Interessant ist nicht nur, dass es viele Rechtsanwälte trifft. Auch die Zahl der Toten ist besonders hoch in dieser Berufssparte.«
» Jetzt interessieren mich aber doch die absoluten Zahlen«, sagte Isabel.
» 36 Anwälte und Notare, alle haben mit Immobilien zu tun. Mehr oder weniger. Zu den meisten Fällen habe ich Informationen über deren wichtigste Klienten. Es konzentriert sich auf zwei große Baugesellschaften.«
» Sieh an«, sagte Sternenberg. Er sah Tarek mit seinen Aktenstapeln und machte sich eine Vorstellung davon, welche Mühe die Recherche bereitet
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