Flammenpferd
verspürte allerdings wenig Lust, in die Lobpreisungen einzustimmen. Unbestritten war der Hengst bildschön, aber er lief so verspannt und strahlte eine solche Hektik aus, dass sie sich an dem Bild nicht freuen konnte. Die Serreta verrutschte und gab den Blick auf den vernarbten und wunden Nasenrücken frei. Es waren nicht die einzigen Narben, die Hella selbst auf die Entfernung von zwanzig Schritten nicht verborgen blieben. Die kahlen Ringe in den Fesselgelenken bewiesen, dass der Hengst sich heftig gegen das übliche Anbinden an den Vorderbeinen gewehrt haben musste, und an den Flanken und auf der Kruppe fanden sich Spuren, die auf die blutigen Begegnungen mit den scharfen Hornspitzen eines Kampfstiers deuteten. Fadista hatte in seinem achtjährigen Leben eine Reihe schmerzhafter Erfahrungen ertragen müssen, und das war, wie Uschi versichert hatte, auch für portugiesische Verhältnisse nicht typisch. Stierkampfpferde von Fadistas Qualität wären viel zu wertvoll, als dass man sie schlecht behandelt hätte, war ihre Einschätzung. Aber hier wie überall gibt es schwarze Schafe, und Fadista hatte mit seinem Besitzer einfach Pech gehabt, überlegte Hella und verlagerte das Gewicht vorsichtig von einem Fußballen auf den anderen, um den Hund nicht zu stören, der sich ausgerechnet ihre Zehenspitzen als Rückenstütze ausgesucht hatte.
Bernd Klinghöfer betrat den Reitplatz mit dem Kandarenzaum in der Hand und einem herkömmlichen Dressursattel über dem Arm. Uschi brachte den Hengst mit einem zackigen Ruck an der Longe zum Stehen und wandte sich an die Zuschauer hinter dem Zaun. „Wir könnten eine Hilfe beim Satteln brauchen. Hella, wärst du so nett?“
Hella hätte wenig Lust gehabt, sich auf ein so aufgeregtes Pferd zu setzen. Vielleicht hoffte Uschi darauf, dass Fadista sich unter dem Reiter eher entspannte. Sie zog die Füße unter dem schnarchenden Hund hervor und stieg durch den Zaun. Uschi drückte ihr die Longe in die Hand. Der Hengst erstarrte, als Hella vor seinen Kopf trat, und bewegte sich nicht von der Stelle. Es schmerzte sie, dass er offenbar damit rechnete, sie würde ihn für ein Ausweichen grob bestrafen. Sie widerstand dem impulsiven Verlangen, ihn beruhigend am Hals zu streicheln, was ihn vermutlich in noch größere Furcht versetzte hätte, und tat nichts weiter, als still vor ihm stehen zu bleiben und die Longe mit leisem Kontakt zu halten, um seinen Nasenrücken nicht mehr als unausweichlich zu strapazieren. Unter der Serreta quollen Blutstropfen hervor. Er rührte sich nicht, als Bernd mit Uschis Hilfe den Sattel auflegte und den Gurt anzog, und hielt ebenso still, als Bernd den Kandarenzaum über dem spanischen Kappzaum befestigte. Vor lauter Anspannung schien der Hengst das Atmen zu vergessen.
„Wenn er jetzt nicht Luft holt, fällt er tot um“, sagte Hella, als Bernd und Uschi mit dem Satteln fertig waren.
„Du wirst gleich sehen, wie quicklebendig er ist“, murmelte Bernd. „Geh besser in Deckung.“
Hella zog sich hinter den Zaun zurück. Bernd half seiner Frau in den Sattel, löste die Longe von der Serreta und brachte sich eilig in Sicherheit. Fadista legte sofort los und piaffierte erregt auf der Stelle. Uschi hielt sich sehr aufrecht im Sattel und saß so leicht wie möglich ein. Aus ihrer angespannten Miene schloss Hella, dass sie jeden Augenblick mit einem wilden Aufbäumen rechnete, und Hella hätte ihr nicht widersprochen.
„Toll gerittene Lektion“, schwärmte Swantje, und Hella verzichtete auf die Erklärung, dass diese Piaffe alles andere als toll war, sondern so gezwungen wirkte, wie es bei einem verkrampften Pferd wie Fadista zu erwarten war. Auch der Trab, in dem Uschi das Pferd nun Runde um Runde laufen ließ, war so strampelnd und fest gehalten, wie Hella es niemals schlimmer gesehen hatte. Uschi schaffte es nicht, den Hengst durch das Reiten lockerer zu bekommen. Er schien nicht einmal müde zu werden. Nach gut zwanzig Minuten parierte Uschi unmittelbar aus dem Stechtrab zum Stehen durch. Offenbar wollte sie gar nicht versuchen, Fadista im Schritt zu reiten.
„Das ging richtig gut heute“, sagte Uschi zufrieden. „Möchtest du ihn reiten, Hella?“
Hella hätte sich vor Überraschung beinahe verschluckt. Was war an diesem Ritt gut gewesen? Dass er seine Reiterin nicht in den Sand befördert hatte? Nach ihrer Überzeugung sollte das Pferd einen Vorteil aus dem Gerittenwerden ziehen, und sie verspürte absolut keine Lust dazu, sich auf den
Weitere Kostenlose Bücher