Flammenpferd
Türflügeln fiel Licht hinein und zeichnete einen hellen schmalen Streifen auf den fest getretenen Lehmboden.
Als Benni ihren Arm berührte, stieß sie ihn heftig von sich. „Lass mich!“
„Schon gut, ich will dir nur etwas zeigen. Dort hinten!“
Inzwischen erkannte sie die Umrisse des Wagens deutlicher. „Wie alt ist die Kiste?“
„Bestimmt uralt. Hat mein Vater in Faro bei einem Händler entdeckt. Er will ihn reparieren, und dann darf ich damit fahren“, erzählte Benni voller Stolz.
Kati lachte leise. „Das glaubst auch nur du, dass er dich damit fahren lässt! Was willst du mir zeigen?“
Er schob sich am Wagen vorbei und tastete sich an der grob gemauerten Wand entlang. Sie folgte ihm dicht auf, bis sie die rückwärtige Wand erreichten. Dort bückte er sich und fuhr mit beiden Händen über die Mauer, bis er fand, was er suchte, und einen losen Mauerstein heraus zog.
„Schau durch“, forderte er Kati auf und rückte ein Stück zur Seite. „Ich habe den Putz raus gekratzt, bis die Steine locker waren.“
Sie kniete auf dem kühlen Lehmboden nieder und sah durch den Spalt hindurch in die kleine Reitbahn, die an den Schuppen grenzte. Kein Wunder, dass vorhin niemand zu sehen gewesen war. Alle Reitgäste hatten sich am Zaun versammelt, und eine der Frauen sah geradewegs zu Kati hinüber. Es war die Frau mit den dunklen, schulterlangen Locken, die im Wagen gesessen hatte, als Klinghöfer sich über sie beschwerte. Der Labrador hatte sich vor ihren Füßen niedergelassen. Erschrocken wich Kati von der Wand zurück.
„Sie sehen dich nicht“, sagte Benni beruhigend.
Dicht daneben hatte er einen zweiten Ausguck eingerichtet. Ihre Schultern berührten sich, während beide am Boden hockten und durch die Spalten in der Mauer auf die Reitbahn hinaus blicken.
„Fadista“, flüsterte Kati aufgeregt.
Uschi hielt den Hengst an der kurzen Longe und trieb ihn in engen Kreisen um sich herum. Die Longe war in den spanischen Kappzaum geschnallt. Kati wusste, dass ein Pferd dem Druck des Eisenbügels nicht viel entgegen zu setzen hatte. Auf der Unterseite saßen zwei Reihen kleiner spitzer Zacken, die sich dem Pferd bei jeder unerwünschten Bewegung in den Nasenrücken bohrten. Zusätzlich hielt die Klinghöfer den Hengst mit der Longierpeitsche unter Kontrolle. Fadista hatte wie gewöhnlich die Ohren angelegt, und Kati war sicher, seinen ganzen Widerwillen zu spüren, weil er gezwungen wurde, auf der Zirkellinie zu traben. Er lief mit verspannten hohen Tritten, und der Schweiß besprenkelte die Schultern. Verlangsamte er das Tempo, hob Uschi drohend die Peitsche. Fadista folgte ohne zu zögern. Er hatte seine Erfahrungen gemacht. Wurde er um einen Hauch zu schnell, ruckte sie kurz und kräftig an der Longe, und die Serreta tat ihre Wirkung.
„Daher hat er diese tiefen Narben im Gesicht“, flüsterte Kati voller Zorn.
„Schuld hat der Vorbesitzer, sagt meine Mutter“, erklärte Benni gelassen.
„Deine Mutter ist keine Spur besser als der!“
Benni rutschte ein Stück zur Seite und lockerte seine Beine. „Man darf mit Fadista nicht lieb sein. Sonst gehorcht er nicht.“
„Ihr habt alle keine Ahnung!“, zischte Kati.
„Was findest du nur an dem Gaul?“
Für einen Moment löste sie ihren Blick von dem Hengst und sah sich zu Benni um. Er hatte sich von seinem Ausguck abgewandt und lehnte mit dem Rücken an der Mauer, die ungelenken langen Arme auf die gebeugten Knie gestützt. Im Zwielicht erkannte sie sein Gesicht nur in Umrissen.
„Gib mir den Garagenschlüssel, Benni!“
„Sag mir erst, was du an dem Gaul findest!“
Sie zögerte. Sie hatte noch nie darüber gesprochen. „Wir sind wie eins, Fadista und ich. Er liebt das Feuer genauso wie ich. Wenn man uns trennen will, werden wir gemeinsam sterben, er und ich. Er ist mein Freund.“
Benni lachte gurrend. „Du spinnst! Ein Gaul kann kein Freund sein.“ Sanft griff er nach ihrer Hand und legte den Schlüssel hinein. „Ich bin dein Freund, und sonst niemand. Und was das Feuer angeht, so was machst du doch nicht mehr. Oder, Kokel-Kati?“
8
Fadista zog im Stechtrab seine Kreise um Uschi, die ihn mit der schlenkernden Longierpeitsche in Bewegung hielt. Die Zaungäste sparten nicht mit bewundernden Bemerkungen. In der tief stehenden Wintersonne glänzte das Fell kupfern, und der schwarze Schopf warf einen scharfen Schatten auf das markante Profil seines herb-schönen Gesichts. Auch Hella verfolgte den Hengst mit den Blicken,
Weitere Kostenlose Bücher