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Flammenpferd

Flammenpferd

Titel: Flammenpferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Kronenberg
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anders als früher, und nach einer Weile erkannte sie, dass die Angst aus den schwarzen Augen gewichen war. Sie schob sich zwischen den Zaunstangen hindurch. Auf einen Schlag war er hellwach und blies die Luft scharf durch die Nüstern. Er wich zurück, stieß mit der Kruppe gegen die Bretterwand und schoss nach vorn. Kati warf sich zur Seite, und er jagte um Haaresbreite an ihr vorbei und galoppierte in den Paddock hinaus. Dort fiel er in den Trab und zog mit aufgeworfenem Kopf enge Kreise. Die schwarze Mähne flog, als er mit hohen angespannten Tritten über den Sandboden schwebte, und er wollte sich von ihrer flehenden Stimme nicht beruhigen lassen. Kati hob den Arm und wischte sich die Tränen von den Wangen. Warum machte er das mit ihr? Ließ sich von Hella anfassen und floh vor seiner wahren Verbündeten? In der ersten Nacht in Portugal war er ihr im Traum erschienen, und die aufwühlenden Bilder hatten sich in ihren Gedanken verankert und sie nicht losgelassen. Durch die himmelhohe Flammenwand war das rote Pferd gestürmt, mit leuchtender Feuermähne, und hatte sie mit sich gerissen und auf seinem Rücken davon getragen. Wenige Tage später, als sie auf dem Reiterhof der Deutschen diesen roten Hengst erblickte, der sich aufbäumte und mit den Vorderhufen schlug und sich ungebärdig gegen die Frau wehrte, die ruppig an der Longe riss, da hatte sie ihn sofort wieder erkannt. Sie hatte gewusst, er war es. Endlich hatte sie ihn gefunden, den unbezwingbaren Botschafter ihrer Feuerträume, die sie begleiteten, seit sie ein Kind war.
    Er war das Flammenpferd. Ihr Flammenpferd.
    Das Feuer zwischen ihren Knien brauchte Nahrung, und sie schob ein Holzstück hinein. Sie winkelte die Beine an, als die Flammen höher schlugen. Dummerweise hatte Hella sie prompt erwischt, als sie versuchte, Fadista zu berühren, ihn nur ein einziges Mal zu berühren. Er entzog sich ihr immer wieder, wurde noch aufgeregter, begann zu schwitzen und zu schnorcheln und stieg und schlug mit den Vorderbeinen nach ihr, als sie sich ihm in den Weg stellte. Jemand brüllte „Jana!“, und dann wurde sie von Hella gepackt und zurückgerissen. Es hatte nicht viel gefehlt, und Hella hätte sie geschlagen. Sie kannte diesen verbitterten Blick. Aber Hella schlug nicht zu. Sie zerrte sie grob aus dem Paddock heraus und stellte sie zur Rede. Ob sie lebensmüde wäre! Oder wahnsinnig!
    Ja, hätte sie am liebsten heraus geschrien. Ja, ja, ich bin wahnsinnig. Ich bin die verrückte Kati, das Mädchen mit den Zündhölzern. Die Kokel-Kati! Nicht die sanftmütige Jana. Doch sie sagte nichts. Kein Wort sagte sie. Nichts brachte einen Betreuer, einen Therapeuten, jeden Menschen so leicht aus dem Konzept wie beharrliches Schweigen. Damit kannte sich keine so aus wie sie. Auch Hella gab auf.
    „Du bekommst eine letzte Chance, Jana“, sagte sie schließlich. „Sollte ich dich noch einmal bei Fadista erwischen, kannst du sofort deine Sachen packen und vom Hof verschwinden.“
    „In Ordnung“, sagte Jana und hängte eine Entschuldigung und ein Versprechen an. Jana konnte das sagen. Kati hätte geschwiegen. Jana war anders als Kati. Klüger. Ruhiger. Besonnener. Und beliebter. So viel beliebter. Kati hatte nichts Anziehendes, aber Jana war freundlich. Konnte sich bei den Leuten einschmeicheln, wenn sie’s drauf anlegte. Wie bei Maren, die manchmal gereizt wirkte, aber alles so lange erklärte, bis Jana begriffen hatte, was sie tun sollte. Die Pferdebesitzer grüßten sie nett und wollten wissen, ob es ihr in Hameln gefiel. Sogar Hella, die herablassende Hella, die sich für etwas Besseres hielt, konnte Jana leiden und hatte ihr schließlich verziehen. Swantje war mindestens so hochnäsig wie Hella. In Katis Augen war sie einfach nur eine arrogante Kuh. Jana dagegen war in ihren Urteilen großzügiger und begegnete Swantje mit milder Zurückhaltung. Zum Glück war der Blonde nicht wieder aufgetaucht. Sein aalglattes sonnengebräuntes Gesicht konnte sie weder als Kati, noch als Jana über seine rohe Seele hinwegtäuschen.
    Nachdem sie eine Weile über Jana und Kati nachgedacht und dabei Holzspan für Holzspan ins Feuer geschoben hatte, kam sie zu dem Schluss, dass sogar sie selbst Jana lieber mochte, als sie Kati jemals gemocht hatte. Oder mögen würde. Jana war sanft und liebenswürdig, fluchte nicht auf Portugiesisch und dachte nicht ständig ans Feuerlegen. Jedenfalls hatte sie bis vor zwei Tagen kaum daran gedacht. Bis sie diesen Schuppen inspiziert und all

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