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Flammenpferd

Flammenpferd

Titel: Flammenpferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Kronenberg
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können. Man könnte glauben, Sie hätten das Grab des Pharao entdeckt.“
    Über dem Hameltal zog die Nacht auf, als sie über den Hof schritten. Julian schien eifrig darauf bedacht, ihr nicht näher als vier Schritte zu kommen. Das ist der Abstand, den du haben wolltest, dachte sie auf dem Weg zum Haus. Also beschwere dich nicht.
     

21
    Mit langen Beinen saß sie am Boden und lehnte an der Rückwand eines Schranks ohne Türen, der quer in den Schuppen hinein ragte. Die Nische war schmal; so schmal, dass ihre Füße, die in halbhohen Gummistiefeln steckten, mit den Sohlen gegen eine Zinkwanne stießen, die die Basis eines Gebirges aus allerlei Gerümpel bildete. Das Feuer brannte munter knisternd zwischen ihren Knien, und je stärker die Wärme in ihre ausgebreiteten Hände stieg, umso leichter wurde ihr ums Herz. Das Feuer frisst die Angst. Das wusste sie seit ihren ersten Versuchen mit stibitzten Streichhölzern. Beinahe schämte sie sich, als sie daran dachte, wie ungeschickt ihre Kinderhände die Streichhölzer gehalten und viel zu zaghaft über die Zündfläche gezogen hatten. Als es ihr endlich gelungen war und die erste kleine Flamme aufloderte, hatte sie sofort gespürt: das Feuer ist lebendig, es ist außergewöhnlich und kostbar. Trotzdem hatte es lange gebraucht, bis das Feuer vom strengen Lehrmeister zu dem treuen Verbündeten wurde, der es heute war. Nach und nach schob sie Holzspäne in die Flammen. Im Nu hatte sie eine Hand voll davon zusammen klauben können. Alles Mögliche lag hier verstreut, sie brauchte nur neben sich zugreifen und hielt sofort etwas wunderbar Entflammbares in den Händen. Es war ihr erstes Feuer hier auf dem Hof, wenn man vom Kaminofen absah, und sie war stolz darauf gewesen, dass sie dem starken Verlangen nicht früher nachgegeben hatte. Bis zu diesem Augenblick.
    Wenn sie so aufgewühlt war, konnte sie nicht anders. Hellas niederträchtige Vorwürfe hallten in ihrem Kopf wider.
    Der Tag hatte gut begonnen. Vor dem Weckerklingeln war sie aufgewacht und hatte sich auf das Aufstehen gefreut. Ehrlich, es machte so viel Spaß mit den Pferden. Sie brummelten oder wieherten leise, wenn sie ihnen Hafer brachte, und rieben die Stirn an ihrer Schulter und prusteten ihr den warmen Atem ins Gesicht. Sogar mit den Menschen kam sie zurecht. Mit Maren zum Beispiel, die nichts dabei fand, das Feuerzeug neben der Schachtel Marlboro offen auf der Haferkiste liegen zu lassen. Als es verschwunden war, schalt sie sich selbst wegen ihrer Schusseligkeit. Nach dem Frühstück sollte sie Maren helfen, die Zäune auf den Sommerweiden für die Weidesaison vorzubereiten. Vor der Scheune führte ein Fußweg hinunter zu einem geschotterten Feldweg, der geradewegs ins Hameltal führte. Maren schob die Schubkarre mit dem nötigen Werkzeug und umsteuerte in weiten Bögen die Pfützen, die der nächtliche Dauerregen hinterlassen hatte. Die Reitpferde in den Ausläufen spitzten die Ohren und schauten ihnen neugierig hinterher. Kaum hatten sie den Weg erreicht, wurden sie von den drei Junghengsten erspäht, die mit geblähten Nüstern über ihre Winterkoppel heran jagten und das Klappern der Schubkarre als willkommenen Anlass betrachteten, in eine wilde Rauferei auszubrechen. Maren fiel ein, dass sie eine Zange vergessen hatte. Sie schickte Kati zurück zum Hof.
    Eine gute Gelegenheit, erkannte Kati, für einen heimlichen Besuch bei Fadista. Hella war nirgends zu sehen. Vielleicht machte sie Besorgungen oder hockte, wie so oft, vor dem Computer. Der Hengst stand in der Box und knabberte am Heu, das Maren ihm durch einen Spalt zugeschoben hatte. Leise rief Kati seinen Namen, und er drehte sich auf der Hinterhand herum und schnaubte wachsam. Seine Flanken hatten sich gerundet, und Hella war es sogar gelungen, die Mähne zu verlesen und die verbrannten Spitzen abzuschneiden. Nichts Äußeres wies auf das Geschehen in Portugal hin. Ob er sich daran erinnerte? An das Feuer und an ihr Versagen? Sie schämte sich vor ihm.
    „Das nächste Mal werden wir es schaffen“, flüsterte sie ihm zu.
    Seit sie auf dem Hof war, hatte sie weniger als sonst an den Tod gedacht. Sie hatte überhaupt nicht viel nachgedacht. Dafür ließen ihr die neuen Aufgaben keine Zeit, und wenn sie nicht arbeiten musste, trainierte sie. Beim Laufen dachte sie an gar nichts. Abends fiel sie todmüde ins Bett und schlief so tief, dass sie nicht einmal träumte.
    Er senkte die Nase ins Heu und prustete den Staub von den Halmen. Etwas an ihm war

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