Flammenpferd
Bohlen. „Klingt uralt und unverwüstlich!“
Hella betrachtete verwundert das Bügelschloss im schmiedeeisernen Riegel. „Früher war der Keller niemals abgeschlossen.“
„Das Schloss sieht neu aus. Also doch ein verborgener Schatz?“
„Wohl eher eine Vorsichtsmaßnahme“, vermutete Hella. „Wahrscheinlich ist da unten alles baufällig, und Nelli wollte verhindern, dass jemand hinunter steigt und verschüttet wird.“
Julian ging in die Hocke und untersuchte das Schloss. Es sah außergewöhnlich stabil aus. „Ich würde mich dort unten gern umsehen. So ein alter Keller steckt voller Geheimnisse.“
„Wohl eher voller Ratten und vermodertem Gemüse“, sagte Hella und lachte.
Julian stand auf. „Vielleicht ist der Schlüssel hier irgendwo versteckt.“
„Ich sehe keine Fußmatte!“
„Hätten Sie vielleicht einen Kübel mit Geranien? Das wäre das bevorzugte Schlüsselversteck meiner Mutter!“
Hella fand es aussichtslos, in diesem Chaos nach einem Schlüssel zu suchen, aber Julian war nicht zu bremsen, und so schaute sie sich in der hinteren Ecke des Schuppens um. Ein quer stehender Schrank ohne Türen, der im Inneren zum Bersten mit Schachteln aller Art, vergilbten Zeitungsstapeln und zerbrochenen Werkzeugen gefüllt war, schirmte das sowieso schon spärliche Tageslicht ab. Zögernd tastete Hella sich einen Schritt vor und schreckte zurück, als sie in etwas Weiches trat. Etwas Staubiges. Sie stieß einen leisen Schrei aus.
Sofort stand Julian neben ihr. „Was ist los?“
Hella bückte sich und streckte vorsichtig die Hand aus. Als sie den Arm wieder zurückzog, waren die Fingerspitzen schwarz verschmiert. Julian pfiff leise durch die Zähne. „Hier hat jemand ein Feuerchen gelegt. Spannende Idee, mit all dem brennbaren Zeug ringsum. Offenbar ein Feuerteufel mit guten Nerven.“
Hellas Blick ging nach oben. „Was sagen Sie als Forscher zu dem Loch dort oben im Ziegeldach? Direkt über dem Feuer?“
Er trat dicht hinter sie. Sie spürte den Hauch seines Atems im Nacken und fühlte sich gefangen zwischen ihm und der Wand aus Gerümpel. Bevor es ihr zu eng wurde, trat sie schwungvoll zurück. Dabei berührte ihre Hand unabsichtlich seinen Arm. Ihre Finger fühlten sich an wie verbrannt. Bist du irre, schalt sie sich selbst. Verkriechst dich mit einem wildfremden Bestatter und Ethnologen in einen unaufgeräumten Schuppen. Sie wich seinem Blick aus, trotzdem entging ihr das vertrauliche Lächeln nicht.
„Also?“, fragte sie herausfordernd.
Er trat einen Schritt zurück und legte den Kopf in den Nacken. „Der Feuerteufel ist sich offenbar über die Nützlichkeit eines Rauchabzugs im Bilde. Und es hat nicht geregnet, seit das Feuerchen gebrannt hat. Die Asche ist trocken, und es ist nichts verlaufen.“
„Vorgestern Abend hat es wie aus Kübeln geschüttet, und seither nicht mehr. Also müsste er gestern hier gewesen sein.“
Julian nickte zustimmend. „Vielleicht hat sich ein Obdachloser hier eingeschlichen und wollte sich aufwärmen. Der ist längst über alle Berge.“
Hella sah sich suchend nach einem Lappen um, an dem sie sich die Hände abwischen konnte. Julian überreichte ihr mit einer angedeuteten Verbeugung ein großes weißes Stofftaschentuch.
„Für einen Forscher, der sich nur mit Mühe an zivilisierte Kleidung gewöhnen kann, sind Sie erstaunlich gut ausgerüstet“, sagte sie und nahm es mit einem Dank entgegen.
„Auch ein Forscher sollte für gute Taten gerüstet sein.“
„Sie bekommen es gewaschen zurück.“ Sie schob das Taschentuch in die Jeanstasche.
Er zeigte auf die rückwärtige Klinkerwand. „Habe ich das richtig im Kopf? Direkt hinter dieser Mauer liegen die Boxen der Pensionspferde?“
Sie nickte. „Keine schöne Vorstellung, wenn jemand so nah am Stall ein Feuer entfacht. Ein Grund mehr, diesen ganzen Plunder auszuräumen und die Schuppen abzureißen. Ich hätte es längst erledigen sollen.“
„Wenn Sie dabei Hilfe brauchen ...“
„Erst einmal braucht Ihre Hose Hilfe.“
Er zeigte zur Wand. „Und was wird mit der Falltür? Sollen wir sie wieder abdecken?“
Hella schüttelte den Kopf. „Wozu die Mühe? Wer sollte sich dafür interessieren.“
„Sie vergessen, wie sehr ich mich dafür interessiere! Wenn Sie den Schlüssel nicht finden, biete ich mich gern als Einbrecher an. Ich könnte das Schloss aufbrechen.“
„Alles zu seiner Zeit. Kommen Sie, gehen wir ins Haus und sehen zu, dass Sie sich wieder unter die Menschheit begeben
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