Flammenpferd
Staub und Spinngewebe, ein brüchiges Pferdegeschirr, und oben auf lag ein mürber und von Mäusen zerfressener Sattel. Sie verzog angewidert den Mund. „Was für ein Elend! Wollen Sie sich das wirklich ansehen?“
Julian grinste vergnügt. „Wissbegier ist die höchste Tugend des Forschers.“
Die Brettertür des zweiten Schuppens hing nur noch in der oberen Angel. Drinnen der gleiche jämmerliche Anblick von mannshoch aufgetürmtem Gerümpel. Der Wind fauchte durch die Fensterluke, die blinde Scheibe lag zerbrochen am Boden.
Achtsam stieg Hella über die spitzen Splitter hinweg. „Container bestellen und dann ab damit zur Müllverbrennung.“
„Nicht so voreilig!“ Julian griff wahllos in einen der Haufen und zog ihn auseinander. „Irgendetwas Altertümliches findet sich hier bestimmt. Sehen Sie!“
Wie einen Pokal hob er seine Ausbeute empor, eine rostige Sichel mit hölzernem Griff.
„Vermutlich das Werkzeug eines Druiden“, dozierte Hella mit andächtiger Stimme. „Damit hat er auf dem Düth die Misteln aus den heiligen Eichen geschnitten und einen Zaubertrank gebraut.“
Julian lachte. „Ich war neulich auf dem Düth spazieren, aber einen Druiden habe ich nicht getroffen.“
Er schleuderte seinen Fund achtlos in die hintere Ecke und bahnte sich ohne Rücksicht auf Hose und Schuhe einen Weg durch den Krempel. Hella zog eine halb zerfallene Obstkiste zur Seite und wollte über einen Stuhl mit zerbrochener Lehne klettern, als sie mit der Jeans an einem Nagel hängen blieb, stolperte und beinahe in eine Harke getreten wäre, die mit aufgerichteten Zinken unter einem Korb hervor lugte. Sie stieß die Harke mit der Fußspitze zurück und betrachtete verärgert den Riss über dem Knie. Das hatte sie nun davon! „Lassen Sie uns gehen. Meine Hose ist hin. Sie ruinieren sich den Anzug.“
Julian antwortete nicht und grub in einer anderen Ecke nach verborgenen Schätzen. Hella betrachtete die vom Staub der Jahrzehnte überzogene Klinkermauer des Kuhstalls, die die Rückwand der Schuppen bildete.
Julian hatte eine gewichtige Entdeckung gemacht und hob den Kasten mit beiden Armen in die Luft. „Ein Tonbandgerät! Telefunken. Ob das noch funktioniert?“
„Nehmen Sie es mit“, sagte Hella, ohne sich zu rühren.
Er stellte das Tonbandgerät vorsichtig auf den Boden. „Was ist los? Sie wirken so nachdenklich.“
Hella lächelte. „Mir ist etwas eingefallen. Das wird Ihnen noch besser gefallen als ein kaputtes Tonbandgerät.“
„Was macht Sie so sicher, dass es kaputt ist?“, fragte er enttäuscht.
„Sonst wäre es nicht hier gelandet. Bei meinen Eltern kam nichts weg, was nicht noch irgendwie zu gebrauchen war.“
Er kam näher. „Und was haben Sie zu bieten?“
„Wie wär’s mit einem Gewölbekeller?“
Sie fing damit an, das Gerümpel vor der Wand zur Seite zu räumen. Es war nicht einfach, weil kaum Platz vorhanden war, um das Zeug woanders wieder aufzuschichten. Ausgerechnet hier, wo sie die Falltür in Erinnerung hatte, türmte sich der meiste Unrat auf.
„Besser versteckt als das Grab von Tutanchamun“, murrte sie.
Er half ihr, einen fadenscheinigen Teppich zur Seite zu ziehen. „Was ist mit dem Keller?“
Hella ließ den Teppich fallen und richtete sich auf. „Das Gewölbe muss uralt sein, älter als alle anderen Gebäude auf dem Hof. Es hieß immer, der Keller stammt von einem der ersten Wohnhäuser hier und blieb erhalten, als das alte Haus abgerissen wurde. Später hat man den Kuhstall darüber gebaut, und über den Kellereingang den Schuppen. Als wir Kinder waren, hat meine Mutter dort unten das Gemüse gelagert. Mir war der Keller unheimlich. Allein habe ich mich nicht hinein getraut. Warten Sie, irgendwo hier muss die Luke sein.“
Julian griff zu und half ihr, eine schwere Kiste mit wer-weiß-was drin zur Seite zu rücken. Auf seinen Schuhen hatte sich eine gelbe Staubschicht niedergelassen, und auch der Hosensaum war der Farbe des Lehmbodens um etliche Nuancen näher gekommen.
„Müssen Sie heute noch zu einem Trauerfall?“, fragte Hella.
„Keine Sorge! Etwas Zeit bleibt mir noch.“
„Hoffentlich reicht die Zeit für eine Generalreinigung.“
Er warf einen Blick auf seine Füße und grinste. „Manchmal vergesse ich einfach, wie unpraktisch diese zivilisierte Kleidung ist.“
Endlich hatten sie eine Holzluke frei gelegt. Sie war im Fußboden eingelassen und mochte einen mal anderthalb Meter messen.
Julian klopfte mit den Fingerknöcheln auf die dunklen
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