Flammenpferd
sprachen kurz über die Reise, bevor Hella ihr Anliegen vorbrachte. „Jette, du hast doch diesen heimlichen Verehrer im Bauamt. Könntest du über ihn für mich etwas in Erfahrung bringen?“
„Der Typ ist kein heimlicher Verehrer, der ist ein unheimlicher Verfolger. Vorgestern hat er mir in der Tiefgarage aufgelauert. Er ist aufdringlich wie ein verzogenes Pony. Wenn ich nur Hallo sage, tischt der mir seine Lebensgeschichte auf. Du hast keine Vorstellung, was du von mir verlangst, Hella!“
„Bitte versuche es trotzdem. Ich muss unbedingt mehr über Swantje wissen. Sie geht im Bauamt ein und aus und sammelt Infos über die Altstadtsanierung. Die müssen dort doch überprüft haben, ob sie als Studentin eingeschrieben ist und tatsächlich an einer Diplom-arbeit arbeitet.“
„Wieso zweifelst du daran?“, fragte Jette verwundert. „Ich kann sie nicht ausstehen. Aber wie sie mit den Plänen hantiert und ihre ungebetenen Vorträge über die Sanierungen hält, das wirkt auf mich überzeugend.“
„Ich will einfach sicher gehen“, sagte Hella ausweichend. „Ihre Adresse in Holland könnte mir auch weiter helfen.“
Jette ließ sich nichts vormachen. „Und mich willst du nicht mit Einzelheiten belasten, stimmt’s?“
„Stimmt!“, bekannte Hella. „Bitte sei mir nicht böse. Ich habe nur einen vagen Verdacht. Hilfst du mir trotzdem?“
„Also gut! Ich spiele für dich die Detektivin. Aber nur, wenn wir uns morgen Nachmittag auf einen Cappuccino treffen.“
Sie verabredeten ein Treffen im Museumscafé, und Hella warf einen zweifelnden Blick auf den Schreibtisch mit den unerledigten Schriftstücken, die darauf warteten, abgearbeitet zu werden. Außerdem musste sie dringend die Abrechnungen mit den Einstellern erledigen. Aber dafür hatte sie jetzt nicht die Nerven. Sie sollte sich die Kartons noch einmal vornehmen. Vielleicht hatte sie in der Nacht etwas übersehen; eine Spur oder einen verborgenen Hinweis auf den Eigentümer dieser verdächtigen Ware. Und eine weitere Aufgabe wartete auf sie.
Sie verließ das Haus. Über der Reithalle ballten sich dunkle Wolken zusammen. Holly, die Rappstute, musste geputzt und gesattelt werden und blickte Hella mit gespitzten Ohren entgegen. Hella strich ihr freundlich über die Kruppe, bevor sie den Stall betrat, um den Spaten zu holen, der zwischen Mistgabeln und Besen in einer Ecke der Futterkammer lehnte. Inzwischen hatte Paul Gehrmann den Westernsattel herangeschleppt und auf Hollys breitem Rücken platziert. Vorsorglich hatte er den langen Wachsmantel hinter den Sattel gebunden. Paul traute offenbar den Regenwolken nicht. Die Stute sperrte das dunkle Maul auf und gähnte herzhaft. Hella ertappte sich bei dem Wunsch, dass Fadista das Satteln irgendwann mit gleicher Gelassenheit hinnehmen würde. Sobald sein Rücken nicht mehr schmerzte, hätte er keinen Grund zur Gegenwehr. Bisher verzichtete sie sogar darauf, ihm einen Longiergurt anzulegen.
Er hätte von Evelins Sturz gehört, meinte Paul Gehrmann mitfühlend. Hella schilderte ihm, was geschehen war, und sie waren sich darin einig, dass Evelin gut beraten wäre, die Stute noch einmal zur Ausbildung zu geben. Er bückte sich und angelte unter Hollys ausladendem Bauch nach dem Sattelgurt. Ob es neue Erkenntnisse wegen des Feuers gäbe, fragte er, als er den Gurt behutsam anlegte, und die Beunruhigung war ihm anzumerken. Er war ebenso zurückhaltend wie klug und wurde dank seiner ausgleichenden Art von allen Pferdebesitzern gleichermaßen geschätzt. Sein Wort galt etwas. Wie Hella von Jette wusste, war es vor allem seinem Einfluss zu verdanken, dass nach den Pferdemorden keiner den Stall verlassen hatte. Sie tat gut daran, sich die Antwort genau zu überlegen, und entschied sich, bei der Wahrheit zu bleiben.
„Die Polizei geht von Brandstiftung aus“, erklärte sie. „Sie versuchen, Zeugen zu finden, haben aber noch nichts herausgefunden.“
Sie sprachen über die Chancen, den Täter zu finden, und über Blitz. Dabei wanderte sein Blick zum Spaten, den Hella in der rechten Hand hielt. Sie wollte einen Baum auf das Hundegrab setzen, erklärte sie, eine junge Eiche, die sich am Rand der Hausweide angesiedelt hatte und auf Kniehöhe heran gewachsen war. Hella wünschte ihm einen guten Ritt und machte sich auf den Weg zur Weide. Dort musste sie eine Weile suchen, bis sie das Bäumchen fand, das ihr vor Wochen bei der Zaunkontrolle aufgefallen war. Der Schössling stand verborgen im überständigen Gras und zu
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