Flammentod
Viertelstunde später trug Jutta ein zitronengelbes Sommerkleid aus Leinen. Zusammen mit den grünen Haaren wirkte sie, als hätte sie sich zu Karneval als umgedrehte Osterglocke verkleidet.
Mein Bericht über den mysteriösen Todesfall dauerte schon ein bißchen länger, und Jutta hörte aufmerksam zu, ohne Zwischenfragen zu stellen, was wirklich eine Seltenheit war. In Jamaica mußte es tatsächlich superöde gewesen sein. Schließlich kam ich in meiner Erzählung bei meiner Unterredung mit Susanne/Saphyra an.
»So sieht’s aus«, schloß ich.
»Die Sache ist völlig klar, mein lieber Remi«, behauptete Jutta, die es sich in einem der Sessel bequem gemacht hatte. Sie schlug die Beine übereinander und fuhr sich durch das mittlerweile trockene Haar. »Gut, daß ich gekommen bin. Du wärst ohne mich mal wieder hoffnungslos verloren.«
»Na ja, das ist wohl ein bißchen übertrieben.«
»Nichts da. Schau dir doch mal die Personen in dieser komischen Geschichte an: Wo du hinschaust, Frauen. Diese drei Weiber aus dem Hexenladen vor allem. Und die Frauen, mit denen dieser Diepeschrath wahrscheinlich was hatte. Da kommt eine Menge Arbeit auf dich zu, mein Lieber.«
»Rudolf Diepeschrath ist keine Frau, Gerd Diepeschrath nicht und dieser Jupp Schmitz erst recht nicht.«
»Aber nimm doch mal an, daß da irgendeine Frauengeschichte dahintersteckt! Und mit Frauengeschichten bist du doch hoffnungslos überfordert. Da muß man einfühlsam sein, sensibel…«
Ich setzte an, um etwas zu sagen, ließ es aber.
»Man muß halt mit Frauen reden können. Sozusagen von Frau zu Frau. Man muß die Schwingungen spüren, die jenseits des Verstandes liegen. Man muß eins sein mit dem Kosmos, du weißt schon.«
»Na ja.«
»Ist mir schon klar, daß du das ablehnst. Du bist eben ein Zwilling. Das ist ganz typisch.«
»Nein, ich glaube, das liegt eher an meinem gesunden Menschenverstand.«
Jutta winkte ab. »Das glauben alle Zwillinge. Sie haben gewissermaßen den gesunden Menschenverstand erfunden.«
»Komisch«, sagte ich mit unschuldigem Tonfall. »Meine Mutter war auch Zwilling; trotzdem las sie jeden Tag das Horoskop und richtete sich sogar danach.«
»Es kommt auch auf die Gründe an, warum man ein Horoskop liest.
Aber wie gesagt - du verstehst nichts davon. Du bist eben typisch männlich verkopft.«
»Ein Glück!«
»Obwohl - so verkopft bist du auch wieder nicht. Ich finde, du hättest eine Person schon längst mal genauer überprüfen müssen, die du bis jetzt nur am Rande verdächtigt hast.«
»Du meinst Theresa.«
»Klar.«
»Ich habe darüber nachgedacht, aber die Sache mit dem Blatt Papier und den Diepeschrath-Unterlagen ist mir zu wenig.«
»Na, sei doch mal ein Mann und benutz deinen Kopf. Erstens: Sie hat was gegen Bauunternehmer im allgemeinen und im besonderen gegen solche, die hier Autobahnanschlüsse bauen wollen.«
»Stimmt, aber -«
»Zweitens: Sie hat mitbekommen, wie Beckers Frau einen Betriebsunfall hatte.«
»Das war aber nicht in Diepeschraths Firma.«
»Vielleicht ist das aber erst der Anfang. Wie es aussieht, wurde Diepeschrath ja quasi-hingerichtet. Und wen richtet man hin? Jemanden, der etwas verbrochen hat - jedenfalls nach den Maßstäben des jeweiligen Richters.«
»Aber deswegen kannst du doch nicht Theresa beschuldigen.«
»Jeder ist verdächtig, der nicht nachgewiesenermaßen unschuldig ist. Kannst du bei Sherlock Holmes nachlesen. Meine Güte, dir muß man aber wirklich alles erklären.«
»Jutta, das hier ist kein Fernsehkrimi oder so was. Das hier ist Wirklichkeit.« Ich schnappte mir wütend eine Banane aus dem Obstkorb, schälte sie und biß hinein.
»Na gut - trotzdem sollten wir uns mal um die Frauengeschichten des Toten kümmern.«
Ich dachte nach. »Gut. Dazu müßte man sich auf ganz sensible Weise dieser Angelika Diepeschrath annehmen und sie - sozusagen von Frau zu Frau - zu ihrem Leid befragen. Ich meine, das Leid, das eine Frau erfährt, deren langjähriger Ehemann öfter fremdgeht, als Fußballspiele in der Bundesliga stattfinden.«
»Hast du das etwa noch nicht getan? Diese Angelika befragt?«
»Ich muß diskret vorgehen. Ich habe mich bei den Gesprächen mit Gerd Diepeschrath und Susanne Voisbach schon ziemlich weit aus dem Fenster gelehnt. Ich denke mal, das wäre ein prima Job für dich.«
»Und was soll ich machen? Einfach zu ihr nach Hause gehen und sagen: Erzählen Sie mir doch mal, wie das alles so war mit Ihrem Mann?«
»Quatsch. Ich stelle mir das
Weitere Kostenlose Bücher