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Flammentod

Flammentod

Titel: Flammentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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Wasserblech« hieß. Um dort hinzukommen, ignorierte ich die Schilder, die die Zufahrt nur für Anlieger erlaubten, und mußte mich zur Strafe anschließend durch ein Gewirr aus winzigen Stichstraßen und Sackgassen kämpfen. Die Gegend bestand ausschließlich aus dicht aneinandergedrängten Einfamilienhäusern.
    Vor Beckers Garage parkte ein kleiner grüner Transporter, der in gelben Buchstaben verkündete, daß er zu »Beckers Obstkiste« gehörte. Die Stufen zur Haustür waren mit Sperrholz abgeschrägt. Als ich klingelte, ertönte von irgendwoher eine Stimme: »Ich bin im Garten.«
    Ich ging um das Haus herum und fand Becker, der mit einem Handrasenmäher Gras schnitt. Die Rasenfläche war von einem spießigen Jägerzaun begrenzt. In der einen Ecke stand ein graues Gerätehäuschen aus Metall. Dafür, daß er einem ehemaligen Anti-AKW-Kämpfer gehörte, sah der Garten ziemlich spießig aus. Es fehlten eigentlich nur noch die Gartenzwerge.
    »Hoffentlich haben Sie meine Frau nicht geweckt«, sagte Becker, ohne das Hin- und Herrollen des Mähers auf dem Rasen zu unterbrechen. »Sie hat sich ein bißchen hingelegt. Die Aufregung, wissen Sie«
    Becker wirkte abgespannt. Die Arbeit schien ihm Mühe zu bereiten. Aber er war wohl einer von denen, die Sorgen und Problemen mit körperlicher Tätigkeit begegnen mußten.
    »Entschuldigen Sie, das habe ich nicht gewußt«, sagte ich und sah ihm eine Weile beim Mähen zu.
    »Warum sind Sie gekommen?« wollte er schließlich wissen.
    »Haben Sie wirklich was mit Diepeschraths Frau gehabt?«
    »Wenn Sie so wollen, ja. Es hat allerdings nur ein paar Tage gedauert.«
    »Wer wußte davon?«
    »Woher soll ich das wissen? Ich habe es jedenfalls niemandem erzählt. Schließlich war ich auch damals schon ein verheirateter Mann.«
    »Sie sind also fremdgegangen«, stellte ich klar.
    »Nicht nur ich. Sie auch. Und mit Grund. Sie hätten hören sollen, was sie alles über ihren Mann erzählt hat.«
    »Was denn so?«
    »Er war ein Schläger, ein rücksichtsloser Choleriker, der die ganze Familie terrorisiert hat. Im Grunde wollte sie sich bei mir nur ein bißchen ausweinen.«
    »Zeigen Sie mir den Brief.«
    »Das geht nicht.«
    »Wieso? Herr Vogt sagte, Sie hätten eine Kopie bekommen.«
    »Das stimmt auch. Meine Frau hat sie aber zerrissen und im Klo runtergespült.«
    »Warum das denn?«
    Becker stoppte das Gerolle der Mähmaschine, richtete sich auf und sah mich an. Er war völlig verausgabt. Der Schweiß lief ihm in Strömen übers Gesicht. Auf seinem Hemd hatte er schon große dunkle Flecken hinterlassen.
    »Können Sie sich das nicht denken? Meine Frau wußte nichts davon. Und jetzt muß sie es erfahren - wo wir sowieso genug Probleme haben. Es ist doch verständlich, daß sie das nicht einfach so hinnimmt.«
    »War das nach dem Unfall Ihrer Frau, als Sie und Angelika Diepeschrath … ?
    »Verdammt noch mal, ja! Wenn Sie es genau wissen wollen: Es war nur eine Woche später - zufrieden?«
    Ich machte eine beschwichtigende Handbewegung. »Okay, okay. Ich will Sie nicht verurteilen, Herr Becker. Ich versuche Ihnen nur zu helfen.«
    »Dann tun Sie es! Jeden Moment können die hier ankommen und mich einlochen. Dann ist meine Existenz dahin. Ist Ihnen das eigentlich klar? Meine Existenz - und meine Ehe auch. Also reden Sie nicht so viel - tun Sie was!«
    Verbissen nahm er wieder den Mäher und rollte ihn weiter angestrengt auf dem Rasen hin und her.
    *
    Der Mann hinter dem Schreibtisch war nicht zu sehen, weil er eine Zeitung ausgebreitet vor sein Gesicht hielt. Ich erkannte nur zwei wulstige Hände an den seitlichen Rändern der bedruckten Papierwand. Der Schreibtisch davor war penibel aufgeräumt. Die Stifte steckten ordentlich in einem becherförmigen Behälter. Der Computerbildschirm daneben war schwarz. Hinter der Zeitung schien es zu brodeln. Oben stieg wie aus einem noch nicht erloschenen Vulkan eine kleine Rauchsäule auf.
    Ich klopfte an die geöffnete Tür. »Herr Fischer?« fragte ich.
    Fischer war - so hatte man mir gesagt - der Chefredakteur des Gladbach-Anzeigers. Ich hatte mindestens eine Dreiviertelstunde gebraucht, bis ich mich zu ihm durchgefragt hatte. Je näher ich meinem Ziel gekommen war, desto ehrfürchtiger, devoter und leiser hatten die Hinweise der Sekretärinnen und anderen Angestellten geklungen, an deren Spitze Fischer stand. Niemand hatte mir etwas zu dem ominösen Brief sagen wollen, immer wieder wurde ich an Fischer verwiesen. Und nun trennte mich nur noch

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