Flammentod
Ihnen das helfen könnte.«
»Ich bin um jeden Hinweis froh«, sagte ich.
»Stehen denn die Chancen für Becker wirklich so schlecht? Sitzt er in U-Haft?«
»Nein, das nicht. Aber es spricht einiges gegen ihn.«
In der Brusttasche meiner Jacke ging der Vibrationsalarm des Handys los. »Entschuldigen Sie einen Moment«, sagte ich. »Rott?«
»Ja, Vogt hier.« Der Anwalt klang nervös.
»Was ist passiert?«
»Die Staatsanwaltschaft ist mit ihrem Verdacht rausgerückt. Heute morgen ist ein anonymer Brief beim Gladbach-Anzeiger eingegangen. Halten Sie sich fest.«
»Geht gerade nicht. Ich stehe mitten in der Landschaft. Was steht in dem Brief?«
»Darin steht, Becker habe mal was mit Diepeschraths Frau Angelika gehabt.«
»Was? Das gibt’s doch nicht. Hat die Polizei Becker dazu schon befragt?«
»Hat sie. Ich war bei der Befragung dabei.«
»Und wie hat er reagiert?«
»Er hat es zugegeben.«
»Wie bitte?«
»Sie haben richtig gehört. Anscheinend stimmt es. Aber es ist drei Jahre her. Er hat ausgesagt, die Sache sei schnell wieder vorbei gewesen. Jetzt stellt die Staatsanwaltschaft das Ganze natürlich als Eifersuchtstat hin. Das heißt, jetzt haben sie noch ein Indiz mehr gegen Becker.«
»Hm - das klingt sehr konstruiert. Hat man herauskriegen können, woher der Brief kam?«
»Nein. Er kam nicht mit der Post. Jemand hat ihn bei der Zeitung eingeworfen. Am meisten stört mich, daß sie Becker jetzt durch die Presse ziehen werden. Das wollten wir unbedingt vermeiden.«
»Wo genau ist der Brief eingegangen?«
»In der Gladbacher Lokalredaktion.« Vogt gab mir die Adresse. Ich angelte nach meinem Notizbuch, kniete mich hin und schrieb sie auf, wobei ich meinen rechten Oberschenkel als Unterlage benutzte.
»Ich sehe mir den Brief mal an.«
»Er ist schon bei der Polizei.«
»Die werden in der Redaktion sicher eine Kopie gemacht haben.«
»Da bin ich überfragt. Aber wenn es darum geht - ich habe natürlich auch eine Kopie bekommen. Ich kann Sie Ihnen zeigen.«
»Ich glaube, es ist besser, wenn ich mal mit den Zeitungsleuten rede.«
»Was hat eigentlich das Gespräch mit diesem Manscheit ergeben?«
»Ich bin mittendrin. Ich rufe Sie wieder an. Bis dann.«
Ich steckte das Handy ein und sah mich um. Manscheit war ein Stück weitergelaufen.
»Und - wo ist jetzt das Haus?« fragte ich, als ich ihn erreicht hatte.
»Etwas Geduld noch.«
Ein schmales Sträßchen führte zwischen hohen Hecken hindurch. Dann war der Asphalt zu Ende, und der Boden ging in Kies über. Die Hecken machten alten Holzzäunen Platz, hinter denen sich verwilderte Grundstücke erstreckten. Die Besitzer nutzten sie offensichtlich, um Sperrmüll abzuladen. An den Zäunen lehnten Bretter und alte Türen. Unter einem verwachsenen Obstbaum sah ich einen alten Wohnwagen, der vor Feuchtigkeit grün angelaufen war. Schließlich kamen wir an ein Waldstück.
»Wo verläuft eigentlich die alte Bahnstrecke?« fragte ich Manscheit.
»Höchstens hundert Meter entfernt. Kennen Sie sich nicht aus?«
»Ich bin nicht von hier«, gestand ich. »Ich brauche für alles einen Stadtplan.«
Wir gingen weiter in den Wald hinein.
»Wie stehen Sie eigentlich zu den Autobahnplänen?« fragte ich.
»Wenn die Variante durchkommt, daß die Bahnstrecke zur Autostraße ausgebaut wird, dann wäre es hier ziemlich Essig mit dem Wohnen. Aber ich glaube nicht, daß man sich für diese Version entscheidet. Obwohl manche Industriebetriebe des Gewerbegebiets von hier aus natürlich gern eine Zufahrt zur A4 hätten. Aber eines ist sicher: Die Autobahnzufahrt muß her. Die Politik hat lange genug geschlafen.«
»Könnte es sein, daß Diepeschrath in diese Richtung spekuliert hat, als er Ihr Grundstück kaufte?«
»Wenn das so ist, hat er sich gründlich vertan. Im Moment sieht es so aus, als sei die Bahnvariante gestorben. Wir sind übrigens da.«
Der Weg führte an einem Holzzaun vorbei, der von einem verrosteten Metalltor unterbrochen wurde. Dahinter sah es wenig gepflegt aus. Das Gras stand gut einen Meter hoch; einige Bäume versperrten die Sicht. Trotzdem konnte ich sehr weit hinten eine hohe dunkle Holzwand und den Ansatz eines Daches erkennen. Das Gebäude wirkte irritierend wegen seiner Proportionen: Es war im Verhältnis zu seiner Grundfläche viel zu hoch.
»Ich habe das Häuschen vor ungefähr zehn Jahren selbst gebaut«, sagte Manscheit. »Unten gibt es eine geräumige Garage, darüber ist ein Zimmer, in dem man sogar wohnen könnte. Es hat
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