Flammentod
unbekannte Fotograf schien seine Arbeit eingestellt zu haben. Mir blieb nichts übrig, als weiter auf das erleuchtete Fenster zu glotzen. Irgendwann beschloß ich, vom Baum zu steigen. Ich mußte Jutta erzählen, was ich gesehen hatte.
Ich wollte mich gerade hinuntergleiten lassen, da zeigte sich wieder die dunkelhaarige Person am Fenster. Diesmal ziemlich lang. Zuerst sah ich sie nur von hinten. Die Haare waren schulterlang und fielen auf einen hellen Pullover mit kurzen Ärmeln. Es war eine Frau. Sie drehte sich zur Seite, und ich sah ihr Profil. Dann sah sie plötzlich aus dem Fenster in den dunklen Wald hinaus, in dem ich ihr fast genau gegenübersaß.
Eine Sekunde lang war ich fest davon überzeugt, daß sie mich gesehen hatte, und war wie erstarrt. Dann aber sagte ich mir, daß das nicht sein konnte. Schlagartig drehte sie sich wieder nach vorne und verschwand in dem Zimmer.
Ich hatte Zeit genug gehabt, um sie zu erkennen.
Es war niemand anderes als Angelika Diepeschrath.
»Das kann nicht sein«, sagte Jutta, als ich vom Baum gestiegen war, den Weg durch den Wald zurückgefunden und ihr von meiner Beobachtung erzählt hatte. Sie kletterte erneut über das Metalltor. Der Lärm war der gleiche. Wir beeilten uns, zum Motorrad zurückzukommen.
»Warum das denn nicht? Das Grundstück gehört ihr. Warum soll sie nicht hier sein?«
»Weil sie heute abend in ein Fitneß-Studio gehen wollte. Sie hatte es fest vor.«
»Darüber hast du mit ihr gesprochen?«
»Na klar!«
»Ich denke, du hattest keine Zeit, dich mit ihr zu unterhalten?«
»Über ihren Mann und all das nicht. Aber solche Sachen wie Gymnastik und Gesundheit -«
»Ja, ja - ich weiß schon. Da kommen Frauen ja schnell ins Gespräch. Na ja - dann hat sie es sich halt anders überlegt.«
»Hm.«
»Ich weiß, was ich gesehen habe. Du kannst gern auch auf den Baum klettern und nachsehen.«
»Danke, ich verzichte. Was willst du jetzt machen?«
»Mir ist schleierhaft, was die Frau da treibt. Wenn sie von sich Fotos machen läßt oder selbst irgendwas oder irgendwen fotografiert - warum tut sie es nicht zu Hause?«
»Warum gehst du nicht rein und fragst sie?«
»Alles zu seiner Zeit. Später. Ich werde da reingehen. Aber wenn die Dame nicht da ist. Und bis dahin müssen wir die Sache mit dem Hexenteich recherchieren. Vielleicht kennt Theresa jemanden, der sich mit der Geschichte von Bergisch Gladbach ein bißchen auskennt und mir was dazu sagen kann.«
Wir waren an der Maschine angekommen, und Jutta löste die Helme.
»Du wirst jedenfalls morgen wieder den Hexenladen besuchen«, sagte ich. »Vielleicht schnappst du ja eine Andeutung auf, was Angelika in dem Häuschen da vorne den Abend so getrieben hat.«
Zwanzig Minuten später kamen wir wieder bei Theresa an. Als Jutta in ihrem schwarzen Lederoutfit in die Küche kam, rückte Willi mit großem Getöse seinen Stuhl zurück, stand auf und reichte ihr die Hand.
»Guten Abend, ich glaube, wir hatten noch nicht das Vergnügen.«
Theresa prustete los vor Lachen, und auch Jutta konnte sich das Grinsen nicht verkneifen.
»Warum plötzlich so förmlich, Willi?« fragte Theresa und stellte ihm Jutta vor. »Das ist Frau Ahrens, Herrn Rotts … äh …«
»Mitarbeiterin«, schlug ich vor.
»Genau«, bekräftigte Jutta, legte den Helm im Flur ab und setzte sich an den Tisch. Es standen halbleere Kölschflaschen darauf; dazwischen drängten sich die Reste eines kalten Abendessens.
»Was für eine Art von Geschäften machen Sie eigentlich?« fragte Willi. Die Frage war offenbar an mich gerichtet, doch er sah ununterbrochen Jutta an. »Sind Ihre Haare wirklich grün?« setzte er nach. »Oder kommt mir das nur wegen der künstlichen Beleuchtung so vor?«
»Wir machen Unternehmensberatung im Ökobereich«, sagte Jutta lapidar und zündete sich eine ihrer dünnen Zigaretten an. »Das Grün ist die Firmenfarbe. Kommt gut an.«
»Mann oh Mann, was es heute alles gibt«, staunte Willi und trank einen Schluck. »Da sind Sie ja bei Theresa genau richtig.«
»Wieso?« fragte Jutta.
»Na - ich sage nur Autobahn«, sagte Willi und warf mir einen verschwörerischen Blick zu.
»Nicht schon wieder!« rief Theresa. Sie kam gerade aus dem Keller zurück und hatte neue Flaschen geholt. »Heute wird nicht über die Autobahn geredet, sonst drehe ich einem gewissen Nachbarn - und mag er auch noch so sympathisch sein - den Hals um. Wie ist es - wollt ihr was trinken?«
Wir ließen uns nicht lange bitten, und
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