Flammentod
Innenstadt.
In zähem Stop-and-Go quälte ich mich durch die Stadt, bis es in ein schmales ländliches Tal ging. Kühe standen an grünen Hügeln, die vereinzelten Häuschen wiesen das typische braunweiße Fachwerkmuster auf, und ich kam sogar an einem Gebäude vorbei, das einer kleinen Burg ähnelte - zumindest besaß es einen recht altertümlich wirkenden Turm.
Ich bog von der Hauptstraße ab und fand die Adresse. Ich war nicht besonders verwundert, als ich feststellte, daß Gero von Berg ebenfalls in einem Fachwerkhaus wohnte. Kies knirschte unter den Reifen, als ich den VW-Bus in die schmale Hofeinfahrt lenkte. Ich war gerade ausgestiegen, da ging die dunkelgrüne Haustür des kleinen Häuschens auf, und ein Mann kam heraus. Er hatte eine qualmende Pfeife im Mund und ging auf mich zu.
»Ist das etwa Ihr Dienstwagen? Bekommen Sie von Ihrer Firma nichts Besseres zur Verfügung gestellt? Von Berg. Guten Tag. Sie müssen Herr Rott sein.« Er hielt mir die rechte Hand hin und lächelte über ein Gesicht, auf dem sich ein dichtes Netzwerk von Falten ausgebreitet hatte. Trotz seines offensichtlich hohen Alters wirkte er nicht greisenhaft. Sogar seine schneeweißen dichten Haare schienen Lebenslust und Aktivität auszustrahlen.
Ich begrüßte ihn ebenfalls. »Ich habe den Wagen von jemandem geliehen«, sagte ich. »Der kleine Ausflug zu Ihnen ist ja privat; da kann ich meinen Dienstwagen selbstverständlich nicht benutzen.«
»Bravo«, sagte von Berg, als sei ich ein Schüler, der gerade durch die Lösung einer besonders schweren Aufgabe zum Klassenbesten aufgestiegen war. »Ein durch und durch ehrlicher Mensch - das trifft man selten heutzutage. Kommen Sie herein. Sie sind gleich doppelt und dreifach willkommen.«
So altmodisch das Haus von außen wirkte, so modern war es eingerichtet. Von Berg führte mich in ein winziges Wohnzimmer. Jeder Quadratzentimeter der Wände war von Bücherregalen bedeckt. Dazwischen lagen die kleinen Sprossenfenster, die ins Grüne hinauszeigten. In der einen Ecke des Raumes stand ein kleiner Schreibtisch mit Computer, in der anderen - knapp zwei Meter entfernt - ein Sofa nebst Sessel. Dort ließ ich mich auf Einladung des Hausherrn nieder. Von Berg dagegen machte keine Anstalten, sich zu setzen. Er ging zum Schreibtisch, nahm ein silbernes Pfeifenbesteck und fuhrwerkte damit in seinem Rauchgerät herum. Dabei sah er mich durch die aufgeschreckten Wölkchen aufmerksam an.
»Willi hat Sie zu mir geschickt? Daß der sich noch an mich erinnert -erstaunlich.«
Es klang, als sei Willi der alte Mann und nicht sein ehemaliger Schüler.
»Er hat Sie in den höchsten Tönen gelobt«, sagte ich. »Und er hat gestern abend mehrfach bewiesen, daß er das Asenborn-Gedicht noch auswendig kann. Und er betonte auch, wie wichtig es war, es damals zu lernen.«
»Alles Unsinn«, sagte von Berg und setzte sich in den Sessel. »Das war damals nur Beschäftigungstherapie. Man muß den Kindern was zum Auswendiglernen geben. Das trainiert den Geist. Das Gedicht ist keinen Pfifferling wert.«
»Gibt es diese Zwergenhöhle eigentlich wirklich?«
»Aber ja. Sie ist ganz hier in der Nähe. Wenn Sie möchten, können wir gleich zusammen hingehen. Es lohnt sich aber nicht. Ein kleines Erdloch -mehr gibt es nicht zu sehen.«
»Eigentlich interessiert mich auch mehr eine Hexengeschichte.«
Er lachte. »Auch da sind Sie prächtig bedient! Sogenannte Hexentanzplätze gibt es hier einige. Ganz in der Nähe liegt einer. Das Gebiet hieß früher ›Wichenhain‹. Dort sollen an den heiligen Feiertagen der Hexen entsprechende Feste unter Vorsitz des Teufels stattgefunden haben. Können Sie in den einschlägigen Sagenbüchern nachlesen.«
»Und da ist was dran?«
»Ich wohne hier schon sechzig Jahre, und mir ist derlei noch nie untergekommen. Man hat auch von den anderen Hexenplätzen noch nie etwas Derartiges gehört. Ein Freund von mir wohnt in Odenthal. Da gibt es gleich zwei davon. Aber vielleicht erlebe ich ja am Montagabend was -man soll die Hoffnung nie aufgeben.«
»Warum gerade am Montagabend?«
»Na, hören Sie - jedes Kind weiß doch, daß die Nacht zum ersten Mai die Walpurgisnacht ist. Da ziehen die Hexen zum Blocksberg. Und die Männer schlagen Maibäume. Kennen Sie diesen Brauch nicht? Daß man am dreißigsten April abends in den Mai tanzt und seiner Angebeteten einen Maibaum unters Fenster stellt - traditionell eine Birke, mit buntem Schmuck versehen?«
»Doch, doch«, sagte ich. »Davon habe
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