Flammentod
bin geschäftlich in Bergisch Gladbach.«
»Und in welcher Branche arbeiten Sie?«
»Unternehmensberatung«, sagte ich, Juttas Idee vom gestrigen Abend aufgreifend.
Von Berg hielt den Aktenordner fest mit beiden Händen gegen die Brust gedrückt, als würde man ihn zwingen, ein großes Geheimnis einem Unwürdigen preiszugeben.
»Sie sind der komischste Unternehmensberater, der mir je untergekommen ist. Aber was soll’s. Wenn es Sie interessiert.«
Er schlug den Ordner auf, sah mich an und begann zu berichten. Dabei kehrte sein Blick kein einziges Mal zu dem Ordner zurück.
»Ein besonders gut erforschter Fall von Hexenverfolgung hat sich in Bensberg zu Beginn des siebzehnten Jahrhunderts ereignet. Es war übrigens auch eine besonders tragische Geschichte, an der Sie sehen können, daß es keineswegs darum ging, ob die Frauen besonderes Wissen besaßen oder nicht.« Von Berg lehnte sich zurück und griff in die Brusttasche seines Hemds. Daraus holte er ein Feuerzeug hervor und entzündete die Pfeife neu. Er ließ sich Zeit. Ich versuchte, meine Ungeduld im Zaum zu halten.
»Die Frau, um die es hier geht, hieß Katharina Scheuer. Manche nennen sie auch Katharina Güschen, denn das war ihr Geburtsname. Sie stammte aus Nittum, das ist ein nördlich gelegener Ortsteil von Bergisch Gladbach, direkt an der Grenze zu Leverkusen. Geboren ist sie etwa 1570, vielleicht ein paar Jahre später. Sie war Tagelöhnerin, zweifache Witwe und wurde von ihrem dritten Mann so schlecht behandelt, daß sie ihn verklagte.«
»Was hat der Mann denn getan?«
»Er hat ihr das ganze Hausinventar gestohlen. Die Nachbarn wurden als Zeugen befragt, doch sie haben kaum zu ihren Gunsten ausgesagt. Der Grund dafür war: Ihre Großmutter und zwei andere Frauen aus ihrer Familie waren bereits als Hexen hingerichtet worden, und so stammte sie nach damaliger Meinung von ›Hexengeblüt‹ ab. Außerdem hatte man sie schon einmal der Hexerei angezeigt, aber freigesprochen. Die Gerüchte hielten sich trotzdem. Immer, wenn in der Nachbarschaft jemand krank wurde oder sonst etwas Schlimmes geschah, hängte man es der Katharina Scheuer an, die man übrigens ›Scheuers Tring‹ nannte. Im Dezember l6ll wurde sie festgenommen und in den Bensberger Hexenturm gesteckt.«
»Ist das einer der Türme, die man sieht, wenn man von der Autobahn nach Bensberg hinauffährt?«
»Nein. Den Hexenturm gibt es nicht mehr. Als man in Bensberg ein neues Rathaus baute, fand man die Grundmauern, das ist aber auch alles. Interessant ist, daß man die Scheuers Tring auch hätte freilassen können. Sogar nach der damaligen Rechtsprechung.«
»Wieso?«
»Aus den Akten wissen wir, daß der damalige Schultheiß die Düsseldorfer Landesregierung um Rat fragte. Er wußte nicht so recht, was er mit der Gefangenen anstellen sollte. Schließlich mußte er ja erst mal dafür sorgen, daß sie am Leben blieb, und das kostete Geld. Er schrieb also nach Düsseldorf und bekam prompt einen Tadel. Man teilte ihm mit, man solle die Frau entweder frei lassen oder einem sogenannten peinlichen Verhör unterziehen. Natürlich tat man zweiteres - und ein peinliches Verhör ist nichts anderes als -«
»Folter.«
»Genau. Und zwar bestialische Folter. Wer erst einmal gefoltert wurde, hatte keine Chance mehr, aus dem Teufelskreis zu entfliehen. Zunächst gab es natürlich ein Gerichtsverfahren mit Zeugen und allem drum und dran. Die Nachbarn erzählten die tollsten Sachen, um Katharina Scheuer zur Hexe zu machen. Sie warfen ihr vor, sie habe eine Nachbarin vergiftet, sie habe durch ihre Zauberei Vieh getötet - und als ihnen gar nichts mehr einfiel, führten sie ins Feld, es seien doch immerhin einige Menschen in Nittum umgekommen, als ob das etwas Besonderes wäre. Sie wurde gefoltert, es wurde ihr ein sogenanntes Geständnis abgepreßt. Unter anderem gab sie zu, auf der Nittumer Heide mit dem Teufel getanzt zu haben und ähnlichen Unsinn. Sie behauptete sogar, der Teufel habe sie im Hexenturm besucht. Zu dem Zeitpunkt hatte man ihr schon so furchtbar zugesetzt, daß sie mehrmals versucht hatte, sich zu erhängen. Man konnte den Selbstmord aber verhindern. Sie wurde zum Tode verurteilt und am zehnten Januar 1613 hingerichtet.«
»Verbrannt.«
»Ganz genau. Allerdings nicht lebendig - dahingehend hatte man das Urteil gnädigerweise in Düsseldorf noch verändert. Man hat sie stranguliert und danach den Flammen übergeben.«
»Puh«, sagte ich und lehnte mich in dem Sofa zurück.
»Eine
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