Flammenzorn
nicht so, als glaubten sie, dass er das je wieder tun wird.«
Anya runzelte die Stirn. »Wo ist seine Familie?«
»Die Eltern des Jungen leben nicht mehr hier. Rentner - hatten ihr ganzes Leben in Detroit verbracht. Dann sind sie in den Ruhestand gegangen und im letzten Jahr nach Florida gezogen, um von all den Verbrechen in dieser Stadt wegzukommen.« Marshs Mundwinkel sackten herab. »Sie sitzen schon wieder im Flugzeug.«
Anya war froh, dass sie sie verpasst hatte. Sie wusste, sie musste herkommen, auch wenn ihre Anwesenheit für die weiteren Ermittlungen nichts brachte. Aber als leitende Ermittlerin war sie verpflichtet, sich alle Auswirkungen der Brandstiftung anzusehen und die Wahrheit aus allen niederschmetternden Blickwinkeln zu betrachten.
Als sie den Blick senkte, sah sie, wie Sparky um ihre Beine strich. Auch er schien durch diese Station ein wenig ernüchtert zu sein. Er selbst war immun gegen Feuer. Vielleicht faszinierte ihn nur, was er niemals erfahren konnte. Seine obsidianschwarzen Augen spähten durch das Fensterglas und zuckten hin und her, während er anscheinend all die glitzernden Gerätschaften betrachtete.
»Hat das Labor die Abdrücke, die Sie gefunden haben, analysiert?«, fragte Marsh.
»Ja. Es waren mehrere Fingerabdrücke, aber es gab keinen Treffer im System. Unser Freund war weder im Gefängnis noch beim Militär oder der Polizei.«
Marsh kratzte sich am Kopf. »Verdammt. Wir müssen diese Sache aufklären. Am besten gestern.«
»Ich weiß.« Anya wusste, dass Marsh ihr einigen Ärger mit dem Chief vom Leib hielt und sich bemühte, ihr Raum zum Arbeiten zu geben. Doch gleichzeitig spürte sie, wie sich das administrative Netz der Behörde zuzog.
»Wenn Neuman stirbt ...« Marsh fiel es schwer, die Worte auszusprechen. Es war, als fürchtete er, dass der Gedanke allein dadurch Realität werden könnte. »Dann ist es Mord, und dann wird der Fall dem Police Department übergeben.«
Marsh würde sich der Presse gegenüber so markig äußern, wie er nur konnte, und die Journalisten würden bei diesem Thema ganz aus dem Häuschen sein: ein Feuerwehrmann, der durch einen Serienbrandstifter bei Ausübung seiner Pflicht zu Tode gekommen ist. Die Meute wäre hinter ihnen her wie Ameisen hinter einem Sandwich. Anya hatte nichts gegen etwas Hilfe einzuwenden, doch sie mochte es gar nicht, wenn sich Ermittler, die mit dem Fall nicht vertraut waren, einmischten: Sie brauchten zunächst eine umfangreiche Einarbeitung und dann konnten sie Anya jederzeit ausschließen. Sie hatte schon früher schlechte Erfahrungen gemacht und wollte das ungern wiederholen.
»Also, was haben Sie für mich? Irgendwas Neues?«
»Das Labor analysiert die Gase aus den Rußproben. Die Rauchverteilung war zu gleichmäßig, um einen einzelnen Zündpunkt auszumachen. Meine beste Spur ist das hier.« Anya zog ihre Fotos aus der Tasche und zeigte Marsh das Symbol auf dem Kellerboden des Lagerhauses. »Das wurde an jedem Tatort des Brandstifters gefunden. Ich habe einen Abdruck davon genommen. Die Techniker suchen derzeit nach Werkzeugspuren.«
»Was zum Teufel ist das?«
»Ich habe einen Experten drangesetzt.« Anyas Lippen wurden schmal. »Aber ich fürchte, wir müssen ernsthaft in Betracht ziehen, dass wir es nicht mit einem gewöhnlichen Feuerteufel zu tun haben. Er hat es nicht auf Geld abgesehen, und er versucht nicht, ein anderes Verbrechen zu verschleiern. Mein Gefühl sagt mir, wir haben es mit einem Ritualverbrechen zu tun. Mit Okkultismus.«
»Verdammt.« Marsh rieb sich die Narbe am Kopf. »Halloween rückt näher, und die Verrückten treiben sich jetzt schon herum.«
»Die Devil's Night ist erst in zwei Wochen.«
Detroit war berüchtigt für die Nacht vor Halloween: Devil's Night - die Nacht des Teufels wurde sie genannt. Das kriminelle Element erwachte dann zu voller Stärke, um jede denk bare Art von Unheil anzurichten; in den Siebzigern hatten ganze Häuserblöcke gebrannt. In den späten Neunzigern waren die Brände seltener geworden, bis die Wirtschaftskrise der letzten Jahre ausreichend psychologischen Treibstoff geschaffen hatte, um sie wieder anzuheizen: Arbeitslosigkeit, Verzweiflung und Wut. Allein im letzten Jahr waren über dreißig Häuser, Dutzende Autos, ein Postamt und ein Einkaufszentrum bis auf die Grundmauern niedergebrannt.
Marsh runzelte die Stirn. »Ich hoffe, das war für unseren Brandstifter nicht nur eine Übung.«
Anya starrte durch die Glasscheibe. Es gab kein Anzeichen
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