Flammenzorn
das sie mit sich herumschleppen musste, wie eine Uhr oder ein Handy - eben wie etwas, das sie nur bei sich hatte, weil es von ihr erwartet wurde. Jetzt, bei der Verfolgung dieses Kriminellen, war sie froh, dass sie ihn hatte, auch wenn sich das Metall in ihrer Hand kalt und fremd anfühlte.
Sie lief über die Straße. Ihre Schritte waren federnd und beinahe geräuschlos auf dem aufgerissenen Straßenbelag. Sparky bewegte sich ohne einen Laut neben ihr. Am Zaun hielt sie inne und lauschte. Als sie nichts hörte, schlüpfte sie durch die offene Stelle im Zaun und kroch durch die Trümmer zum Kellerfenster. Sie konnte ein Licht im Keller sehen, so blass wie ein Glühwürmchen. Es bewegte sich, hüpfte bald hierhin, bald dorthin, schwenkte von einer Seite zur anderen, so als würde es nach etwas suchen. Aber das Licht war nicht hell genug für eine Taschenlampe; es war so schwach wie das von Sparkys Leuchtwurm. Anya blieb neben dem Fenster. Sie wusste, wenn sie sich direkt davor aufbauen würde, dann könnte der Eindringling sie als dunklen Schatten vor der blasseren Schwärze der Nacht wahrnehmen.
Sie richtete die Waffe auf das Dunkel und schaltete die Taschenlampe an, die sie in der anderen Hand hielt. »Kommen Sie mit erhobenen Händen heraus.« Die Worte hörten sich an, als wären sie aus einem alten Film, aber eine bessere Formulierung fiel ihr nicht ein.
Das Licht im Keller kam zur Ruhe und erlosch. Im Dunkeln hörte sie Virgils Stimme:
»Seien Sie vorsichtig, Miss Anya. Er hat ...«
Dann hörte sie ein Krachen, als wäre etwas Metallisches umgeworfen worden. Sie fühlte Virgils kalte, geisterhafte Präsenz hinter der Wand. Und plötzlich - verpuffte er einfach in einem bernsteinfarbenen Lichtblitz, als hätte ihn ein schwarzes Loch verschlungen. Diese rasende, fremdartige Anziehungskraft fühlte sich für Anya so vertraut an, dass es ihr einen regelrechten Schock versetzte. Es fühlte sich an wie das, was sie erlebte, wenn sie einen Geist verschlang.
»Virgil?«, flüsterte sie.
Keine Antwort. Und sie konnte ihn auch nicht mehr hinter der rußigen schwarzen Wand spüren. Tief in ihrem Inneren wusste sie, dass er fort war.
Ein strahlend rotes Licht brach plötzlich aus dem Kellerfenster hervor. Anya riss den Arm hoch, um ihre Augen abzuschirmen. Eine männliche Gestalt sprang durch den Fensterrahmen und erreichte so mühelos die Straßenebene wie Flammen, die vom Wind vorangetrieben wurden. Sie roch einen Hauch von Schwefel, und ihr Magen protestierte.
Sparky stürzte sich auf ihn. Der Salamander griff knurrend an, und statt einfach durch ihn hindurchzugleiten, bekam Sparky den flammenden Mann zu fassen und rollte mit ihm über den Boden. Anya stand hinter ihnen, die Waffe auf den Kopf der Gestalt gerichtet. Sparky gab eine eindrucksvolle Vorstellung von einem Pitbull, während er knurrte und biss. Die aufwallende Hitze drängte Anya zurück. Irgendwo in ihrem Verstand begriff sie: Wenn Sparky imstande war, den flammenden Mann zu packen, dann musste dieser magisch sein.
Der Kopf der Gestalt drehte sich, und er starrte sie an. Für einen Augenblick ließen die Flammen nach, und sie konnte sein Gesicht erkennen. Es war das Gesicht aus den Videoaufnahmen, aber in der Realität brannten seine Augen mit einer so entsetzlichen Glut, dass Anya beinahe nach Luft rang.
»Keine Bewegung!«, rief sie, obwohl die Anweisung kaum von Nutzen sein dürfte.
Der Brandstifter rollte sich herum und schüttelte Sparky einfach ab. Der Salamander rutschte auf dem Rücken durch die schmale Gasse, und seine Beine ruderten in der Luft. Derweil stemmte sich der Mann auf die Füße und wollte weglaufen.
»Keine Bewegung, habe ich gesagt.« Anya drückte ab, und der Rückstoß riss ihre Arme hoch über den Kopf, während die Kugel aus dem kurzen Lauf des Revolvers herausschoss. Sie traf den Mann in die Schulter, und er wirbelte herum und starrte sie mit brennendem Zorn in den Augen an. Er senkte den Kopf, wie ein Stier, der sich zum Angriff bereitmacht. Dort, wo die Kugel ihn getroffen hatte, schien das Feuer zu erlöschen. An seinem restlichen Körper flackerten und zuckten die Flammen. Sie hatte ihn in seinem Vorhaben gestört, und - zur Hölle - sie würde noch viel mehr tun, sollte er nicht innehalten. Er machte humpelnd zwei rasche Schritte auf sie zu und streckte die brennenden Hände nach ihr aus. Sie fühlte, wie ihr Haar zischte und knisterte, wandte das Gesicht ab und schoss noch mal.
Ein schwarzer Schatten schoss
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