Flammenzorn
Salamander kletterte auf den Tisch. Seine Nasenflügel bebten. Er witterte Blut. Anya betrachtete das Spiel von Licht und Schatten auf seinem gefleckten Körper. Sparky musste sich nicht mit der Frage nach richtig oder falsch herumschlagen. Er biss einfach zu, wenn etwas nicht gut roch. Darum beneidete sie ihn.
Ferrer beobachtete ihn, aber nicht furchtsam, sondern fasziniert.
»Haben Sie Haustiere, Miss Kalinczyk?«, fragte er. »Falls Sie ein Haustier haben, dann stelle ich es mir sehr gut ausgebildet vor. Dann wäre es bestimmt ein wahrhaft Furcht einflößender Gegner.«
»Hätte ich ein Haustier, Mr. Ferrer, dann hätten Sie recht.«
Sparky knurrte und biss Ferrer in die rechte Schulter, dorthin, wo der Verband unter seinem Kragen hervorlugte. Ferrer grunzte und versuchte, den Salamander abzuschütteln, aber das war etwa so, als versuchte man, das Maul eines Pitbulls zu öffnen. Anya saß derweil so am Tisch, dass ihre Hände gut zu sehen waren. Sie hörte ein Pochen am Glas, das Zeichen für sie, das Verhörzimmer zu verlassen. Sie ignorierte es. Und sie ignorierte das Rütteln an der Tür. Sparky hatte das Schloss blockiert. Sie war ganz allein mit Ferrer.
Anya ging um den Tisch herum, hielt ihre Hände aber immer noch so, dass sie gut zu sehen waren, während Ferrer mit Sparky kämpfte. Sie war überzeugt, auf der Videoaufzeichung würde er mit bloßer Luft kämpfen - vielleicht würde es wirken wie ein Krampfanfall. Sie kniete sich vor ihn, wohl wissend, dass es so aussah, als sorge sie sich ernstlich um den Gefangenen. Dann rief sie nach einem Sanitäter, deutlich genug, um sicherzustellen, dass es auf dem Video zu hören war.
»Mr. Ferrer, sagen Sie die Wahrheit. Sagen Sie, dass Sie diese Feuer gelegt haben.«
Ferrer schaffte es endlich, Sparky abzuwehren. Blut befleckte den Saum seines Ärmels und tropfte auf den Boden. Atemlos sah er ihr direkt in die Augen. Zugleich hörte sie, wie draußen jemand die elektrische Schließvorrichtung abmontierte. Marsh und Vross konnten jeden Moment hereinkommen.
Ein glückliches Lächeln huschte über sein attraktives Gesicht. »Sie müssen noch viel darüber lernen, was es heißt, eine Muse im Dienste des Feuers zu sein.«
Und das war alles, was er sagte.
Als Anya nach Hause kam, lagen Blumen auf ihrer Schwelle.
Vorsichtig griff sie nach dem Floristenpapier und blickte hinein. Weiße Chrysanthemen. Irgendwo in ihrem Gedächtnis regte sich eine Erinnerung: ihre Mutter, die sagte, diese Blumen symbolisierten die Wahrheit. Sie hatten zu ihren Lieblingsblumen gehört.
Anya klappte die schlichte, weiße Karte auf.
DAS, WAS SIE WISSEN MÜSSEN, IST NICHT
DAS, WONACH SIE SUCHEN.D.
Die Kanten der Karte schnitten scharf in ihre Handfläche, als sie sie zusammenknüllte und mit den Blumen in den Müll warf. Dieser Mistkerl.
Sie betrat das Haus, schaltete aber das Licht nicht ein. Ihr Anrufbeantworter blinkte rot: zwei Nachrichten von Katie, die wissen wollte, ob alles in Ordnung war; ein Anrufer, der sich verwählt hatte; und ein Verkäufer, der ihr eine Fassadenverkleidung andrehen wollte.
Anya fühlte sich unendlich schwer, erschöpft von der Last zu vieler Sorgen und Enttäuschungen. Sie schälte sich aus ihrer Kleidung, stieg unter die Dusche und ließ sich das warme Wasser über Gesicht und Haar laufen. Die Piraten-Gummiente kreiste in dem Wasserwirbel zu ihren Füßen. Sie achtete darauf, nur ihren Rücken dem Wasserstrahl auszusetzen, damit die empfindliche Brandwunde auf ihrer Brust verschont blieb. Die dämonische Verbrennung warf inzwischen Blasen, von denen einige aufgeplatzt waren und eine klare Flüssigkeit absonderten. Anya brauchte sie nur anzusehen, und schon drehte sich ihr der Magen um. Deshalb konzentrierte sie sich lieber auf die Gruppe aus Gummienten, die auf dem Regalbrett einen fröhlichen Plastik-Schmusekreis bildete. Zu ihren Füßen schnappte Sparky nach den aufspritzenden Wassertropfen.
Erst jetzt fiel Anya auf, dass sie im Dunkeln duschte. Sie hatte das fehlende Licht gar nicht bemerkt. Eigentlich hätte ihr das zu denken geben müssen, aber sie war außerstande, noch weitere beklemmende Gefühle aus den Tiefen ihres Verstands heraufzubeschwören. Die waren bereits alle für Brian und den Fall reserviert.
Ein halbes Dutzend Mal putzte sie sich die Zähne und gurgelte mit Mundwasser, trotzdem hatte sie immer noch einen säuerlichen Geschmack in der Kehle. Den Gummientenbademantel fest zugeschnürt, kroch sie ins Bett. Sparky hatte
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