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Flammenzorn

Flammenzorn

Titel: Flammenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Bickle
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Rascheln von Folien und Papier zu hören, während sie suchte.
    Anya zog einen alten, abgenutzten Holzstuhl an das Computerterminal heran. Dieses Terminal war für die Suche in Zeitungen und Zeitschriften voreingestellt. Sie suchte nach Erwähnungen Ferrers in neueren Ausgaben der Lokalzeitungen. Zu ihrer Enttäuschung reichte der Datenbestand nur fünf Jahre zurück. In einer drei Jahre alten Todesanzeige stieß sie auf seinen Namen. Er wurde als einziges überlebendes Kind seiner bereits verstorbenen Mutter aufgeführt. Darüber hinaus fand sie nur noch eine kurze Meldung über eine Ausstellung seiner Kunst im Detroit Institute of Arts. Der Artikel mit dem Titel Einsiedlerischer Architekt auf der Suche nach seiner persönlichen Renaissance stand im Lokalteil und enthielt keinerlei Bilder. Er führte an, dass einige von Ferrers Blaupausen und Skizzen des städtischen Lebens in Detroit während einer Wohltätigkeitsauktion gezeigt werden sollten. Der Artikel war in der vergangenen Woche erschienen; die Ausstellung sollte am Freitag stattfinden.
    »Ich habe ein paar Leckerbissen für dich.« Vorsichtig balancierte Felicity einen Stapel Mikrofiches auf ihrer Handfläche.
    »Netter Trick«, bemerkte Anya beeindruckt. »Die meisten Geister können materielle Objekte nicht bewegen.« Der Geist der Bibliothekarin war stärker, als Anya gedacht hatte.
    Felicity lächelte. »Sie sind nicht schwer. Aber du solltest sie mir abnehmen, ehe ich sie fallen lasse.« Sie deutete mit dem schmalen Kinn auf ein Lesegerät. »Weißt du, wie man mit diesen Antiquitäten umgeht?«
    »Darauf kannst du wetten. Und sollte ich Probleme haben, schreie ich.«
    »Pssst. Nicht zu laut.« Felicity legte einen Finger an die Lippen und tauchte wieder in einen Schrank ab. Der Inhalt raschelte wie Baseballkarten in den Speichen eines Fahrrads.
    Anya schaltete das Lesegerät ein und wartete darauf, dass die Lichtquelle warm wurde. Nacheinander sah sie die Filmfolien durch, die Felicity neben dem Gerät deponiert hatte. Was sie dort entdeckte, reichte, um die Fragmente eines Lebens zusammenzupuzzeln.
    Aus Bevölkerungsstatistiken, die in der Zeitung veröffentlicht worden waren, erfuhr Anya, dass Drake Ferrer 1970 im Henry Ford Hospital zur Welt gekommen war. Auf der Geburtsurkunde war kein Vater eingetragen. Anya stützte das Kinn in die Hand. Das zumindest hatten sie gemeinsam. Das Henry Ford Hospital war nicht der Ort, an dem wohlhabende Frauen ihre Kinder in Privatstationen gebaren. Und die Adresse, die in der Geburtsurkunde vermerkt war, lag in einer üblen Gegend. Ferrer hatte keinen leichten Start ins Leben gehabt.
    Einschulungsprotokolle verrieten ihr, dass er mit fünf Jahren eingeschult worden war, ein Jahr früher als die meisten Kinder. Bis zur fünften Klasse hatte sich Ferrer weit genug hervorgetan, um in eine damals noch experimentelle Projektschule mit Schwerpunkt Mathematik und Naturwissenschaften aufgenommen zu werden. Ein Zeitungsartikel über die neue Schule enthielt ein Bild der ersten Klasse. Ferrer stand in der dritten Reihe. Auf dem körnigen Foto war er ein hageres, ernstes Kind mit hölzerner Miene.
    Schülerlisten der Highschool zeigten, dass Ferrer erneut ein paar Klassen übersprungen und seinen Abschluss im Alter von sechzehn gemacht hatte. Auf dem Foto der Abschlussklasse war er leicht auszumachen: der kleinste Schüler, dessen matter Blick in weite Ferne ging. Er wurde als National Merit Schüler ausgewählt und erhielt ein Vollstipendium für die University of Michigan - seine Ergebnisse im Leistungstest für die Hochschulreife und bei der Zulassungsprüfung waren beinahe perfekt. Er wählte sowohl Architektur als auch Stadtplanung als Hauptfächer und schaffte seinen ersten Hochschulabschluss in bemerkenswert kurzer Zeit. Anya fand noch ein paar Erwähnungen in der Michigan Daily: einen Gastkommentar, in dem er die mangelnde Verfügbarkeit von Wohnraum für Menschen mit niedrigem Einkommen verwünschte, und einen Schnappschuss, der ihn von den Schultern aufwärts in einem Meer spärlich oder gar nicht bekleideter Studienanfänger beim traditionellen Naked-Mile-Lauf über den Campus zeigte, der jährlich im Frühling stattfand.
    In wissenschaftlichen Archiven fanden sich einige Publikationen aus seiner akademischen Laufbahn. Anya ging die Titel und Inhaltsangaben durch und druckte die Arbeiten aus, um sie später zu lesen: Über das neue Paradigma des bezahlbaren, zukunftsfähigen Wohnungsbaus; Struktureller Schutz der

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