Flammenzorn
könnte wie ein Streichholz.
»Wie wer?« Anyas Gedanken kehrten im Eiltempo zurück zu ihrer Unterhaltung mit Renee. »Angeblich hat er an einem Nachmittag sämtliche Geister in der Bibliothek gefressen.«
»Meinen Sie einen Mann, der auf einem Auge blind ist und humpelt?«
Die Hippie-Bibliothekarin erschauderte. »Ja, das ist er. Er hat sich Stan und Marlo und den Geist des Obdachlosen draußen geschnappt ... und sogar diesen Wikinger aus den Archiven, Sjorn.« Ihre Augen waren vor Schreck geweitet. »Ich habe mich in der Damentoilette vor ihm versteckt. Aber jetzt ... jetzt bin ich ganz allein.« Ihre Schultern sackten herab.
Anya hätte sie gern getröstet, aber würde sie sie berühren, dann würde ihre Hand geradewegs durch die stilisierten Hibiskusblüten auf ihrer Bluse hindurchgreifen. »Ich werde Ihnen nichts tun, das verspreche ich. Wie heißen Sie?«
»Ich bin Felicity.«
Was sonst. Ein perfekter Hippiename. Hätte sie nicht Felicity geheißen, dann wahrscheinlich Meadow oder Skye.
»Ich bin Anya. Ich glaube ...« Anya runzelte nachdenklich die Stirn. »Ich glaube, ich kenne Sie noch aus meiner Kindheit. Meine Mom war hier Auskunftsbibliothekarin.«
»Das Mädchen mit dem Salamander!« Felicity strahlte. »Ich weiß noch, dass du nicht mit uns reden wolltest, aber der kleine Kerl ist uns immer gefolgt, wenn du an deinem Fensterplatz eingeschlafen bist. Er hat gern Verstecken gespielt.«
Sparky glitt zu Boden und leckte freundlich mit dem Schwanz wedelnd Felicitys ausgestreckte Finger.
»Ich durfte nicht. Meine Mom hatte etwas dagegen, dass ich mit Geistern spreche.«
»Das ist bei den meisten Eltern so.« Felicity streichelte Sparkys Rücken. »Hier kommen viele Kinder her, die uns sehen können ... jedenfalls, bis ihre Eltern sie vom Gegenteil überzeugen.«
»Ich, äh ... Tut mir leid, dass er Ihre Freunde geholt hat«, sagte Anya. Irgendwie fühlte es sich seltsam an, eine Tote wegen verschwundener Toter zu trösten, aber es tat ihr leid, dass Felicity nun so allein war.
Felicitys Lippen zitterten. »Er hat ... er hat getan, als wäre das gar nichts. Er hat sie gejagt, als würde er nur nach Bonbons zwischen den Sofakissen suchen. Ich habe gesehen, wie er sich Marlo geholt hat ... sie ist vor ihm weggelaufen. Er hat sie zerfetzt wie Zuckerwatte. Und ich habe gehört, wie Sjorn ihn unten angeschrien hat. Und Stan ... es war so ...« Substanzlose Tränen stiegen ihr in die Augen. »Sie wurden umgebracht, und niemand konnte sie hören. Es war schrecklich.«
»Das Gleiche tut er draußen auch. Und er legt Feuer. Ein Feuerwehrmann ist deswegen ums Leben gekommen. Ich versuche, ihn zu schnappen.«
Kummer zeigte sich in den Augen der Hippie-Bibliothekarin. » Wie kann ich helfen?«
Gesprochen wie eine echte Bibliothekarin.
»Naja ... Sie könnten mir den Weg zu den Lokalmagazinen zeigen. Ich wüsste gern, was dieser Bursche in den Klatschspalten gemacht hat.«
»Das passt ja, dass so ein Kerl zum Establishment gehört«, kommentierte Felicity naserümpfend. »Komm mit.«
Der Geist winkte Anya zu, ihm die Treppe hinunter in den Keller zu folgen. Das Zeitschriftenarchiv besaß einen großen Lesesaal voller aktueller Zeitungen und Magazinen, dick gepolsterter Sessel und Sitzecken. Felicity führte sie an dem Lesesaal vorbei zum Archiv. Dieser Raum enthielt reihenweise Metallschränke, und an einer Seite fanden sich mehrere Mikrofiche- und Mikrofilmlesegeräte. Eine dicke Staubschicht bedeckte sie. Nicht einmal Sparky hatte Interesse an den alten Gerätschaften. Nur der PC, der daneben stand, schien in jüngerer Zeit benutzt worden zu sein.
»Ist das nicht ziemlich altmodisch für eine Weltklasse-Bibliothek?«, fragte Anya halb im Scherz.
Felicity zuckte mit den Schultern, und ihr langes Haar strich ihr über den Rücken. »Es ist zwar richtig, dass inzwischen viele Daten sowohl in elektronischer Form als auch als Papierkopien vorliegen, aber viele ältere Daten wurden noch nicht konvertiert. Außerdem ändern sich die Formatierungen so häufig, dass oft Daten verlorengehen. Da ist es hilfreich, wenn man auf die Originale zurückgreifen kann.«
Anya klappte ihr Notizbuch auf. »Der Name unseres Verdächtigen ist Drake Ferrer. Er ist Architekt und ein paar Jahre älter als ich. Scheint ein ziemlich berühmter Intellektueller gewesen zu sein. Ich will alles sehen, was Sie über ihn haben.«
»Schon dabei.« Felicity spazierte in einen Schrank und verschwand in seinen Tiefen. Anya glaubte das
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