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Flammenzorn

Flammenzorn

Titel: Flammenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Bickle
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Art-déco-Architektur; Die Auswirkungen der Verkehrsströme auf die Nutzung öffentlicher architektonischer Wahrzeichen. In Chicago und Boston hatte er etliche Vorträge über die Aufwertung verfallender Wohngegenden gehalten. Er schien sehr auf diese eine Sache fokussiert zu sein und sich seiner Arbeit mit großer Leidenschaft zu widmen.
    Wann hatte sich das geändert? Warum war er nicht in seinem Elfenbeinturm in Ann Arbor geblieben, weit weg von den Missständen, die in Detroit herrschten? Mit seiner Qualifikation hätte er sicher problemlos einen mehrjährigen Vertrag als Dozent ergattern können.
    Aber das war nicht der Weg, den er eingeschlagen hatte. Er war nach Detroit zurückgekehrt. In einer Pressemitteilung eines hiesigen Architekturbüros wurde Ferrer als neuer Mitarbeiter willkommen geheißen. Des Weiteren verkündete der Waschzettel, die Firma freue sich »sehr auf die Gelegenheit, Ferrers frische Ideen in ihre Arbeit zu integrieren«.
    Felicity hatte einige Schwarz-weiß-Folien entdeckt: Diagramme mit Plänen, archiviert von der Denkmalschutzbehörde. Anya musste zugeben, dass seine Arbeiten wirklich schön waren. Er hatte eine ganze Reihe heruntergekommener Häuser so instand gesetzt, dass sie wieder in ihrem ursprünglichen Glanz erstrahlten. Aber derartige Wohltätigkeitsprojekte erforderten Geld. Sie stellte fest, dass Gelder in Form von Subventionen geflossen waren, unter anderem auch für größere Projekte wie Bürogebäude oder Banken. Und selbst in diesen modernen Bauten fand sie den Respekt vor der alten Architektur wieder, selbst diese Gebäude passten in die Umgebungen hinein, die während des Baubooms Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts entstanden waren. Ferrer schwärmte für diesen Stil und hauchte Jugendstil und Art déco neues Leben ein.
    Aber das war nicht alles. Offizielle Verzeichnisse verrieten ihr, dass er eine gemeinnützige Gesellschaft gegründet hatte, die Motor City Phoenix Stiftung. Ziel der Organisation war es, die Innenstadt zu neuem Leben zu erwecken. Er beabsichtigte, private Investoren anzulocken und öffentliche Gelder zu beantragen, um die verfallenden Wohn- und Gewerbegebäude instand zu setzen und so neue Arbeitsplätze im Innenstadtbereich und zugleich bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Sie warf einen Blick auf ein Foto von der Eröffnung der Hauptniederlassung der Stiftung. Das Foto war von der Sorte Ein-Bürger-unserer-Stadt-engagiert-sich - doch sie sah echte Zuversicht in Ferrers Lächeln.
    Irgendwann einmal war Ferrer ein Erbauer gewesen, ein Anführer. Und dann ... dann war er verschwunden. Nach 1999, nachdem er beinahe bei dem Überfall zu Tode gekommen war, tauchte er nicht mehr in der Presse auf. Genau die Leute, denen er helfen wollte, hatten ihm eine brutale Abfuhr erteilt.
    Anya kaute an ihrer Unterlippe. Warum war er geblieben? Warum hatte er nicht an einem anderen Ort, an dem man seine Bemühungen zu schätzen gewusst hätte, neu angefangen? Welche Hoffnung hatte ihn hier festgehalten?
    Sie starrte Ferrers körniges Portrait an; so strahlend, so jung, so anders als die gebrochene Kreatur, der sie begegnet war. Und sie überlegte ...
    Warum blieb überhaupt irgendjemand? Was hielt die Leute davon ab, diese untergehende Stadt zu verlassen? War es die Erinnerung? Die Gewohnheit?
    Sie fand keine Antwort.
    Anya rief vorsichtshalber vorher an, um sich zu vergewissern, dass Brian im Krankenhaus keine anderen Besucher hatte. Die Vorstellung, sich erneut mit Jules auseinandersetzen oder den Schmerz in Max' Augen sehen zu müssen, behagte ihr nicht. Irgendwann würde sie versuchen, die Dinge mit Katie und Ciro ins Reine zu bringen, wenn sie schließlich einen Moment zum Durchatmen fand. Aber mit den DAGR war sie endgültig fertig, und nichts, was sie sagten, würde daran irgendetwas ändern.
    Sie hatte angenommen, sie würde sich irgendwie ... erleichtert fühlen, wenn sie die DAGR hinter sich ließe. Stattdessen spürte sie bei jedem Schritt, den sie tat, eine zusätzliche Last. Vielleicht lastete Brians Zustand zu schwer auf ihr; vielleicht waren die Träume von Mimi und dem unbekannten kleinen Mädchen zu tief in ihrer Psyche verankert; vielleicht brauchten die Wunden auf ihrer Haut Zeit zu heilen. Was immer der Grund war, der Verlust der DAGR vermittelte ihr das Gefühl, furchtbar allein zu sein.
    Sie schlüpfte hinter den Vorhang vor Brians Bett und zog sich einen Stuhl heran. Er lag reglos da, und nur die Maschine hob und senkte seine Brust. Sie sah, dass

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