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Flammenzungen

Flammenzungen

Titel: Flammenzungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Administrator
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so schnell wie möglich loszuwerden. Der Rest von ihr, der weitaus größere Teil, wünschte sich dagegen, dass sich dieser nachlässig gebundene Handtuchknoten endlich wie von Geisterhand löste.
    Amy riss ein Stück von der Küchenrolle ab, gab einen Strang Salbe darauf und tupfte damit behutsam Lorcans aufgeplatzte Augenbraue ab. „Soll ich ein Pflaster darüberkleben?“
    „Es ist nur ein Kratzer“, sagte er und stützte sich mit einer Hand auf seinem Schenkel ab.
    „Zum Schutz vor Schmutz.“ Unauffällig verdrehte sie die Augen. „Und damit die Salbe nicht verwischt.“
    Er murrte. „Wirklich nicht.“
    „Für einen harten Kerl wie dich ist es schon eine Beleidigung, die Wunde mit Wasser zu reinigen, habe ich recht?“ Ihre Mundwinkel zuckten, während sie die überschüssige Salbe rund um die Verletzung abwischte.
    Lorcan schob einen Finger unter die Knopfleiste ihrer Bluse, strich zielsicher den Bügel ihres BHs entlang, als könnte er durch den Stoff sehen, und zog sich wieder zurück. „Du bist ganz schön kess.“
    „Und du stur.“ Mahnend schaute sie auf ihn hinab.
    Sein Lächeln war warm, doch dann bekam es eine verschlagene Note. „Hast du keine Angst vor mir? Ich war immerhin im Gefängnis.“
    „Sollte ich?“ Besorgt wartete sie auf seine Reaktion, aber er ließ sie zappeln und musterte sie in Seelenruhe von oben bis unten.  
    „Wenigstens hatte ich dort Zeit, mehr Sport zu treiben.“ „Hast du in der Haftanstalt angefangen zu trainieren?“ Während sie den Schnitt an seinem Arm eincremte, legte sie eine Hand an seinen prallen Bizeps. Nicht dass es notwendig gewesen wäre, denn Lorcan hielt von allein still.
    „Ich habe schon immer etwas für meine Fitness getan, aber dabei ging es darum, meine Ausdauer zu steigern. Im Zuchthaus konnte ich nur Gewichte stemmen und Runden im Hof laufen, wenn wir Ausgang hatten. Viel mehr gab es ohnehin nicht zu tun.“ Seine Miene versteinerte sich. „Außerdem baut Sport Aggressionen ab.“
    „Hat dir nicht geschadet“, rutschte ihr heraus. Sie bereute ihre Worte sogleich und tupfte hektischer über den Schnitt.
    „Dann gefällt dir, was du siehst?“ Seine Stimme klang eine Nuance tiefer und rauer als zuvor.
    Um nicht antworten zu müssen und zu viel von ihren Gefühlen preiszugeben, echote sie: „Gefällt dir, was du siehst?“ Im selben Moment wünschte sie sich, den Mund gehalten zu haben. Sie hoffte, er würde ihre Frage überhören.
    Zu ihrer Überraschung nickte er. „Sehr sogar.“
    Das nahm sie ihm nicht ab. „Ich bin nichts Besonderes.“ Ihre Haare waren dünn und klebten am Kopf. Sie trug billige Bermudajeans und eine eng anliegende lachsfarbene Bluse, die sie auf dem Flohmarkt in der 5th Street in Gretna - einer Gemeinde von New Orleans, die ebenso wie Waggaman am Westufer des Mississippi lag - für drei Dollar gekauft hatte. Vermögend war sie nicht, da Haus und Wagen einen Großteil ihres Einkommens schluckten.
    „Das bin ich auch nicht. Es gab einmal eine Zeit, da glaubte ich, ich sei besser als jemand anderes, aber das war dumm.“ Einige Sekunden schien er gedanklich weit weg, aber rasch erhellte sich seine Miene wieder. „Du denkst viel besser von mir, als ich es verdient habe. Seth dagegen würde mir am liebsten zuerst alle Knochen brechen und mich dann zurück ins Kittchen schicken.“
    „Er war selbst einmal in einer Justizvollzugsanstalt.“ Erstaunt weiteten sich Lorcans Augen. „Ist nicht wahr!“ „Aber nicht als Insasse, sondern als Wärter.“ Amy grinste triumphierend, da sie Lorcan gefoppt hatte. „Er war im Louisiana State Penitentiary in Angola angestellt.“
    Er blinzelte sie an, lachte dann aber und lehnte sich zurück. „Lass mich raten: Es gab Ärger.“
    Während sie die Tube zuschraubte, berichtete sie: „Er ließ sich von einem der Inhaftierten provozieren und schlug ihn zusammen. Bis heute prahlt er damit. Er sagt, er würde auf die Scheißer spucken, sie wären nicht die Hornhaut unter seinen Füßen wert.“
    „Wie gut, dass ich das vor wenigen Stunden, als er mich an der Essensausgabe angemacht hat, noch nicht wusste.“ Lorcans Kiefer mahlten, bevor er aufsprang, als wollte er losrennen und Seth jagen.
    Beschwichtigend legte Amy ihm die Hand auf die Schulter, zog sie jedoch sofort wieder weg, weil die Berührung sie verlegen machte. „Lass dich nicht von ihm herausfordern. Er ist es nicht wert und hat seine Strafe bekommen.“ „Seth wurde doch nicht etwa verurteilt?“ Lorcan schnaubte.

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