Flammenzungen
hervorquellende Blut, dann die Klinge, die unter ihr lag. Die Betäubung des Schmerzes fiel nur langsam von ihr ab. Träge nahm sie das Messer. Sie war zu erschöpft, um sich darüber zu sorgen, dass der Kerl es gesehen haben könnte. Amy dachte nicht mehr nach, sondern machte einfach, was ihr als Erstes in den Sinn kam. Und als der Mann sie brutal an den Schultern herumriss, stieß sie ihm die Klinge in den Bauch.
Überrascht riss er die Augen auf. Er taumelte in eine Ecke und starrte fassungslos auf den Griff, der aus ihm herausragte. Kurz fasste er ihn an, ließ ihn dann aber doch los, anscheinend unsicher, ob er dem ersten Impuls folgen und das Messer herausziehen sollte oder ob er dann verbluten würde.
Amy wartete seine Entscheidung nicht ab. Sie mobilisierte ihre letzten Kraftreserven und erhob sich. Panik und Lebenswille trieben sie an. Erschöpft schleppte sie sich aus dem Carport heraus und erwartete, dass der Maskierte sie erneut daran hindern würde. Je weiter sie kam, desto schneller konnte sie laufen. Mit jedem Schritt wuchs die Hoffnung, diesem Monster entkommen zu sein.
Tatsächlich folgte er ihr nicht. Nicht aus dem Verschlag. Nicht durch die Carnival Street. Auch nicht durch all die anderen Straßen, durch die sie ziellos stolperte, die sie ¡aber kaum wahrnahm. Bis sie sich unerwartet am Westufer des Mississippi wiederfand. Orientierungslos schaute sie in alle Richtungen. Sie sah in das schlammige Wasser des Flusses. Dann versagten ihre Beine, und sie brach zusammen.
Als sich Arme um sie legten, zuckte sie zusammen. Aber es war nur eine alte Dame, die mit ihrem Hund Gassi gin g und besorgt auf Amy einredete. Sie sah, wie sich der Mund der Frau aufgeregt bewegte, aber Amy verstand sie nicht. Ihr Heulkrampf war zu laut. Der Pudel schnupperte an ihrer blutigen Hand, dann zog er mit der Schnauze an den Fetzen Ihrer Bluse. Ein Jogger hielt neben ihnen an und tippte hek tisch in sein Handy. Amy ertrug das Mitleid und das Entset zen in seinem Blick nicht.
Obwohl sie wusste, dass die ältere Dame es nur gut mit ihr meinte, wehrte sie ihre Umarmung ab. Sie ertrug jetzt keine Berührung.
11. KAPITEL
August dieses Jahres Waggaman,
Shotgun House
Wärst du eine kluge Frau, hättest du ihn spätestens vor die Tür gesetzt, nachdem du das hinter seinem Ohr eingeritzte Kleeblatt entdeckt hattest, dachte Amy und schaute Lorcan hinterher. Er blickte über seine Schulter zu ihr zurück, winkte und erhöhte das Tempo seiner Laufschritte. Sein Weg führte ihn vom Haus fort in Richtung Mississippi River. Bei jeder Bewegung konnte sie das Spiel seiner Muskeln beobachten, da er zum Joggen Shorts und ein Achselshirt trug. Selbst der Schweiß, der auf seiner gebräunten Haut in der Morgensonne glänzte, machte ihn noch attraktiver.
Sie konnte kaum glauben, dass sie die Frau war, die er am Vortag zwischen den Schenkeln mit seiner Zunge verwöhnt hatte. Wie eine Flamme war diese über und in ihren Schoß hineingezüngelt und hatte ein Feuer gelegt, das nur er löschen konnte. Jetzt, wo sie sich die Verschmelzung im Freien in Erinnerung rief, spürte sie, dass die Glut noch immer nicht erloschen war.
Er faszinierte sie viel zu sehr. Mehr als gut für sie war. Dessen war sie sich bewusst, doch sie kam nicht gegen den Sog an, den er auf sie ausübte. Sie hatte erwartet, dass sie das Interesse an ihm verlieren würde, wenn sie einmal mit ihm schlief, aber sie hatte sich geirrt. Ihr Verlangen nach ihm wuchs mit jedem Mal, das sie mit ihm intim war, mit jedem Geheimnis von ihm, dem sie auf die Spur kam, und mit jeder Minute, die sie in seinen Armen lag.
„Herrje, du bist doch wohl nicht dabei, dich in diesen Kerl zu verlieben, Kindchen“, sagte sie im Tonfall ihrer Mutter, trat ins Wohnzimmer und schloss die Haustür hinter sich. Die kühle Luft der Klimaanlage ließ sie im ersten Moment frösteln, da sich die Temperatur am Morgen bereits der Dreißig-Grad-Marke näherte und die Luft draußen zum Schneiden dick war.
Sie hatte Lorcan bei sich aufgenommen, um ihm wieder auf die Beine zu helfen. Gemeinsam sollten sie eine Wohnung und einen Job für ihn finden. Sie hatte vor, ihm beim Schreiben von Bewerbungen zu helfen und Behördengänge mit ihm zu machen. Nun wartete eine viel größere Aufgabe auf sie. Sie musste herausfinden, ob er tatsächlich zur AB gehörte, und wenn ja, seine Gesinnung in eine neue Richtung wenden und ihn aus den Fängen der arischen Gemeinschaft lösen.
Sie richtete die Kissen auf der
Weitere Kostenlose Bücher