Flammenzungen
hätte den Sessel ihr gegenüber gewählt. Schweigend beobachtete er sie, das machte sie nervös.
Ein kleines Trinkglas stand umgedreht auf dem Tisch vor ihnen. Ein totes Insekt lag darunter. Amys Augen weiteten sich. „Du konntest doch früher keiner Fliege etwas zuleide tun.“
„Ich habe sie nur fangen und draußen wieder fliegen lassen wollen, weil sie doch im Haus nichts zu fressen findet.“ Entschuldigend zuckte er die Achseln. „Dann bin ich zur Arbeit gefahren. Hab vergessen, sie ins Freie zu bringen. Als ich heimkehrte, lag sie auf dem Rücken.“
Amys Rachen war so trocken, dass ihre Stimmbänder sich wie Schmirgelpapier anfühlten. „Ihr ist wohl die Luft ausgegangen.“
„Du weißt ja, wie ich manchmal bin. “ Sein Lächeln wirkte verzerrt.
Gedankenlos, antwortete sie stumm, sprach den Tadel jedoch nicht aus, sondern nickte zaghaft. Unweigerlich erinnerte sie sich daran, wie er Skyler versehentlich den Arm gebrochen hatte, als sie noch Kinder gewesen waren, und sie bei einem Rettungsversuch beinahe im Mississippi ertränkt hatte.
Er erhob sich, nahm einen Blumentopf mit einer rosafarbenen Azalee von der Fensterbank und stellte ihn auf den Couchtisch. „Ich habe vor, die Fliege hier drin zu beerdigen. Oder doch lieber im Garten? Was meinst du?“
Neben Marnie und Kimora? Amy stöhnte leise. „Nimm den Topf.“
Er ließ sich wieder neben ihr nieder und wandte sich ihr zu. „Du hast nicht auf meine SMS geantwortet.“
Das war ein Vorwurf, keine Frage, das erkannte sie, ging jedoch nicht darauf ein, sondern machte ihrerseits eine Anspielung. „Es waren so viele. Ich wusste nicht, wo ich anfangen sollte.“
„Marnie habe ich auch immer mit meiner Aufmerksamkeit überschüttet.“ Er schaute zu einem Foto, das in einem einfachen Eichenholzrahmen auf dem Sideboard neben den Bildern seiner Eltern stand. „Ob ich sie damit vergrault habe?“
„Viele Frauen wünschen sich, derart auf Händen getragen zu werden.“
„Du nicht.“
Auch wenn sie sich damit in Gefahr brachte, sie musste offen mit ihm sprechen. Für sie war er in erster Linie immer noch ihr bester Freund und erst an zweiter Stelle ein Verdächtiger. „Ich kann und möchte nicht Marnies Platz einnehmen.“
„Natürlich nicht. Ich habe sie geliebt wie keine Frau zuvor und werde auch nie wieder für jemanden so intensive Gefühle hegen.“ Er lehnte sich zurück, legte den Kopf in den Nacken und schaute zur Zimmerdecke, als würde er dort nach den richtigen Worten suchen. „Es gab eine Zeit, in der ich geglaubt habe, aus unserer Freundschaft könnte mehr werden, aber ich lag falsch. Ich war verstört, einsam und bin es immer noch. Seit Marnie mich verlassen hat, trudle ich umher wie ein Schiff ohne Anker. Ich hatte gehofft, du wärst mein Hafen.“
„Nabil, ich ...“
„Lass mich bitte ausreden.“ Mit feuchten Augen sah er sie an. „Ich schaffe es nicht mehr, Frauen an mich ranzulassen, weil ich Angst habe, erneut verletzt zu werden. Aber wir kennen uns von klein auf, wir standen uns schon immer nah, daher fiel es mir leicht, mich dir zu öffnen und dich in mein Herz zu lassen. Aber der leichte Weg ist nicht immer der richtige. Du liebst diesen Stadtstreicher ...“
„Ich habe nicht vor, wieder mit dir über ihn zu diskutieren.“
„Er gehört nicht an deine Seite.“ Flehend legte er seine Handflächen aneinander. „Er wird dich kaputtmachen.“ Gereizt sprang sie auf.
„Solche Typen sind wie Vampire. Sie saugen Frauen aus und ziehen zum nächsten Opfer.“
„Und was ist mit dir?“, schoss es aus Amy heraus, bevor sie darüber nachgedacht hatte. „Bist du so viel besser? Du hast mich recht schnell angebaggert, nachdem Marnie verschwunden war.“
„Das war ein Fehler, es tut mir aufrichtig leid.“ Langsam, als ob er befürchtete, sie mit einer zu schnellen Bewegung zu verjagen, erhob sich Nabil. „Ich hoffe, wir können das vergessen und wieder Freunde sein. Falls dein neuer Lover das zulässt.“
Genervt verdrehte sie die Augen, ließ sich aber nicht dazu provozieren, Lorcan zu verteidigen. „Wenn du mit mir geflirtet hast, dann kannst du das auch mit anderen Frauen.“
Er schüttelte heftig den Kopf. „Vorerst möchte ich keine neue Beziehung haben. Für One-Night-Stands war ich eh nie zu haben, das weißt du. Ich brauche eine längere Pause.“
Wo ließ er dann seinen sexuellen Druck ab? Im Keller? „Herrgott, warum ist das Leben auf einmal so kompliziert?“
Ungehalten erhob sie sich und
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