Flandry 1: Im Dienst der Erde
ist einfach zu oft gesagt worden, Donna. Solche Worte klingen nur noch hohl. Ich … Ich mag einen alten Ausspruch: ›Deshalb ist die beste Festung, die es geben kann, vom Volke nicht gehasst zu werden.‹ Machiavelli.«
»Wer? Egal. Mir ist egal, was irgendein toter Ire gesagt hat. Ich möchte erfahren, was Ihnen wichtig ist. Sie sind die Zukunft. Was hat Terra Ihnen gegeben, dass Sie dem Imperium dafür Ihr Leben anbieten?«
»Nun, äh, einen Ort, wo ich leben kann. Schutz. Ausbildung.«
»Das sind kärgliche Gaben«, entgegnete sie. »Stammen Sie aus armen Verhältnissen?«
»Eigentlich nicht, Donna. Ich bin der illegitime Sohn eines kleinen Adligen. Er hat mich auf gute Schulen geschickt und schließlich auf die Flottenakademie.«
»Aber Sie waren kaum je zu Hause?«
»Nein. Das ging nicht. Sehen Sie, meine Mutter war Opernsängerin. Sie musste an ihre Karriere denken. Mein Vater ist ein Geisteswissenschaftler, ein Enzyklopädist, und … äh … alles andere ist für ihn nebensächlich. So ist er eben. Sie haben für mich ihre Pflicht getan. Ich kann mich nicht beschweren, Donna.«
»Zumindest würden Sie es nicht tun.« Sie berührte kurz seine Hand. »Nenn mich Persis, Dominic.«
Flandry schluckte.
»Was für ein hartes, raues Leben du gehabt hast«, sinnierte sie. »Und trotzdem kämpfst du noch für das Imperium.«
»Wirklich, so schlimm war es nicht … Persis.«
»Gut. Du machst Fortschritte.« Diesmal verweilten ihre Finger.
»Ich meine, na ja, zwischen den Kursen und dem Exerzieren hatten wir schon unseren Spaß. Ich fürchte, ich habe eine Art Rekord für Strafpunkte. Und später, auf meinen Ausbildungsreisen, da sind die unglaublichsten Dinge passiert.«
Sie beugte sich näher zu ihm heran. »Erzähl mir davon.«
Er spulte das Garn so amüsant ab, wie er nur konnte.
Sie neigte den Kopf zur Seite und sah ihn an. »Damals warst du ganz schön gewandt. Warum spielst du bei mir den Schüchternen?«
Er zog sich in seinen Sessel zurück. »Ich … ich, verstehst du, hatte nie groß eine Chance, um … äh … zu lernen, wie man sich, na ja, in solch einer Situation verhält wie …«
Sie war ihm so nahe, dass er über ihrem Parfüm ihren eigenen Geruch auffing. Sie hatte die Augen halb geschlossen und die Lippen geteilt. »Jetzt hast du deine Chance«, wisperte sie. »Du hattest doch auch sonst keine Angst, oder?«
Später, in seiner Kammer, richtete sie sich auf einer Hand auf und musterte ihn lange. Ihr Haar fiel über seine Schulter. »Und ich dachte, ich wäre die Erste für dich«, sagte sie.
»Aber Persis!« Er grinste.
»Ich fühlte mich so … Und dabei hast du heute Abend jeden Augenblick genau gewusst, was du tust.«
»Ich musste tätig werden«, sagte er. »Ich bin in dich verliebt. Wie könnte es auch anders sein?«
»Denkst du etwa, das würde ich dir glauben? Ach, zum Teufel, für die Dauer dieser Reise will ich es wirklich glauben. Komm wieder her.«
X
Die alte Hauptstadt Ardaig hatte im Laufe ihres Wachstums die Bucht umschlossen, an der sich der Oiss in den Wilwidh-Ozean ergoss; ihr Hinterland war nun eine Megalopolis, die sich nach Osten bis an das Vorgebirge von Hun erstreckte. Dennoch hatte sich die Stadt eine Atmosphäre des Altertümlichen bewahrt. Ihre Bürger waren traditioneller, stärker auf Zeremonien bedacht und gemächlicher als die meisten. Ihre Stadt war das kulturelle Zentrum Merseias. Obwohl der Große Rat hier jährlich tagte und Burg Afon offiziell nach wie vor die Hauptresidenz des Roidhuns war, hatte man den Großteil der Regierungsgeschäfte schon längst ins antipodische Tridaig verlegt. Die Kohauptstadt war jung und technikorientiert, wimmelte vor Leben und Verkehr und brodelte vor Intrigen und gelegentlichen Gewalttaten. Daher war Überraschung aufgekommen, als Brechdan Eisenrat verlangt hatte, dass das neue Flottenoberkommando in Ardaig errichtet werde.
Viel Widerspruch hatte sich nicht geregt. Brechdan saß nicht nur dem Großen Rat vor; im Raumdienst hatte er den Rang eines Flottenadmirals erreicht, bevor er zur Hand der Vach Ynvory wurde, und die Flotte blieb sein Fachgebiet – ihr galt nach wie vor seine besondere Liebe. Wie es für ihn typisch war, hatte er seine Wahl kaum begründet. Es war sein Wille, daher sollte er ausgeführt werden.
Tatsächlich hätte er nicht einmal sich selbst vormachen können, aus rein logischen Erwägungen zu handeln. Wirtschaftlichkeit, Gleichgewicht zwischen den Regionen – jedes derartige
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